Wie keine andere Berufsgruppe waren Mediziner in die nationalsozialistische Rassen- und Vernichtungspolitik involviert. So beteiligten sich Ärzte als Kliniker, Wissenschaftler und Gutachter an Zwangssterilisationen, Krankenmorden (NS-„Euthanasie“) und Menschenversuchen in den Konzentrationslagern. Ärzte wirkten aktiv und fast ausnahmslos freiwillig mit am Holocaust und am Völkermord an Sinti und Roma. Im Zentrum des Bandes steht die Frage, wie Ärzte und auch Ärztinnen im „Dritten Reich“ zu Tätern wurden. Thematisiert wird zudem die bis heute reichende Rezeptionsgeschichte dieser unheilvollen Geschehnisse. Die Autorinnen und Autoren des Bandes verwenden mentalitäts-, kultur- und ideengeschichtliche Ansätze; hinzu kommen sozialpsychologische Deutungsversuche und (gruppen)biografische Analysen.
Inhalt
Geleitwort des Dekans der Medizinischen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ............................ 9
Vorwort der Herausgeber* innen ...................................................................... 11
Benutzungshinweise und Abkürzungsverzeichnis ............................................ 13
Philipp Rauh
„Medizintäter“ im Nationalsozialismus - Grundzüge und Perspektiven ... 15
Täter, Mittäter, Tathintergründe
Hans-Ludwig Siemen
„Ich bin der Herr Dein Arzt..."
Zur Sozialpsychologie der Täter und Täterinnen .......................................... 39
Henning Tümmers
Zur Historisierung des Bösen.
Überlegungen zu einer Quadratur medizinischer Gewalt ............................ 57
Hans-Georg Hofer/Ralf Forsbach
Kriegsneurosen und therapeutische Gewalt.
Historiografische Differenzierung am Beispiel von Fritz Kaufmann
und Friedrich Panse ......................................................................................... 77
Julia Hebe
Kann Schuld auch weiblich sein?
NS-Täterforschung am Beispiel des vergessenen „Fräulein Professor“
Dr. med. dent. Elsbeth von Schnizer (1900-1998) ......................................... 103
Volker Roelcke
„Täterschaft“ und Täter in der Medizin zur Zeit des Nationalsozialismus.
Umrisse einer Typologie unter Berücksichtigung konkreter
Handlungskontexte ........................................................................................... 135
Erbbiologische Erfassung, Zwangssterilisation und NS-„Euthanasie“
Robert Davidson
„Die Fortpflanzung der geistig Vollwertigen zu fördern, der pathologisch
Veranlagten zu bremsen, ist eine Schicksalsfrage für unser Volk.“
Gustav Kolbs Reformpsychiatrie und ihre Beziehung
zur psychiatrischen Eugenik ............................................................................ 167
Sandra Rohloff
Marktplatz Zwangssterilisation.
Der niedergelassene Chirurg Dr. Robert von Büngner (1880—?) und
seine Kooperation mit der Landesheilanstalt Uchtspringe 1934 bis 1936 ... 191
Marion Hulverscheidt/Uwe Kaminsky
Der Chirurg der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel.
Richard Wilmanns (1880-1958) - medizinhistorische Erkenntnisse
und deren veränderte Wahrnehmung ............................................................ 203
Bernd Reichelt
Zwischen Überzeugung und Anpassung?
Motivationen, Tätigkeitsfelder und Handlungsspielräume des ärztlichen
Personals einer psychiatrischen Anstalt zur Zeit des Nationalsozialismus.
Die Heilanstalt Zwiefalten 1936-1939 ............................................................ 229
Marion VoggenreiterlSusanne Ude-Koeller
wir waren nicht darin beteiligt“.
Die Direktoren Wilhelm Einsle und Hermann Müller und
die NS-„Euthanasie“ in der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen ..................... 253
KZ-Ärzte und NS-Humanexperimente
Philipp Rauh
Selektionsspezialisten, Experimentatoren und Praktiker der Vernichtung.
Gruppenbiografische Studien zu KZ-Ärzten ................................................. 301
Mathias Schmidt/Jens WestemeieriSaskia Wilhelmy
Friedrich Karl Dermietzel (1899-1981).
Vom Chef des SS-Sanitätsamtes zum „Korpsarzt ohne Korps“ .................... 341
Gregor Holzinger
Eduard Krebsbach und Ladislaus Conrad.
Zwei unterschiedliche Ärztekarrieren im KZ Mauthausen .......................... 357
Paul Weindling
Perpetrator and Victims.
The Malariologist Claus Carl Schilling and the Documentation
from Prisoner Assistant Eugene Ost ............................................................... 377
Katharina Trittei
Zwischen Erkenntnisstreben und Entgrenzung.
Das Selbstverständnis der Flugmediziner im Dienst der Wehrmacht
als Grundlage ihrer Elitenkontinuität ............................................................. 397
Petra Betzien
Selbstverständnis, Dienst an den Patientinnen und (Nachkriegs-)Reflexion
der drei Ärztinnen des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück ........... 419
Der Umgang mit Medizintätern nach 1945
Nicholas John Williams
Vergebung mit oder ohne Reue.
Die Betreuung des KZ-Arztes Otto Bickenbach (1901-1971)
durch den Kirchenpräsidenten Hans Stempel (1894-1970) ........................ 443
Markus Wahl
Die verhandelte Vergangenheit.
Strategien belasteter Ärzte in der DDR .......................................................... 461
Heiner Fangerau
„Wer war ein Nazi“?
Vom Umgang medizinischer Fachgesellschaften mit „Medizintätern“ ........ 485
Literaturverzeichnis .......................................................................................... 509
Internetquellen .................................................................................................. 569
Abbildungsnachweise ....................................................................................... 575
Autorinnen und Autoren ................................................................................. 579
Personenregister ............................................................................................... 585