Bei Stefan Sterzinger geht es seit jeher um substanzielle Erzählungen. Zärtliche, liebevolle, bittere, giftige, stoische Erzählungen, Reiseberichte, Epen, Geisterbeschwörungen und Bestandsaufnahmen. Das war bei »Rock'n'Roll« so, das war bei seinem letzten Album »Ashanti Blue« so und das ist auch jetzt bei seinem neuesten Werk, »Keuschheit und Demut in Zeiten der Cholera« (alleine dieser Titel!) so.
Mal ist Sterzingers Gesang ein Lament, mal ein doppelzüngiger Bericht von der Ferne und dem Anderen, mal eine liebestrunkene oder liebeskranke Aufforderung zum Tanz. Stefan Sterzinger ist der »Poet mit der Quetsch'n«, der ewige Grenzgänger, der Conferencier mit der Federboa, der Theatermann, der Chronist. Seine Musik ist schlaue, gewitzte, abgebrühte Weltmusik, die gleichzeitig vom wunden Herzen und sinister aus dem Hinterhalt kommt.
»Keuschheit und Demut in Zeiten der Cholera« ist ein großes Album. Wer schafft denn bitte so ein elegantes Klagelied wie »Jede Sekunde fehlst du mir«, nur um im Lied daraus die Giftpfeile an die Protagonisten des Neo-Biedermeiers locker aus der Hüfte zu schießen? Fürs lyrische Durchschlängeln, salonfähige und für musikalische Stadtdichter-G'schamsterdienerismen hat Sterzinger weder den Kopf noch die Lust noch die Zeit.
Und weil es in den Wirren der Zeit, in der wir uns befinden, nicht nur viel, sondern auch gleichzeitig überhaupt nichts zu sagen gibt, wirft er uns mit »Ach wie ich mich freu« eine Lautmalerei entgegen. Bei »Ein Schiff wird kommen« changiert seine Stimme zwischen großen Versprechungen und einer desillusionierten, vom Warten erschöpften Blueshaftigkeit, bei »Westwaerts Wiesen« ist er der Schlangenbeschwörer, der mit rast- und atemlosen Alliterationen verführt.
Es sich und seinen Hörern zu gemütlich zu machen war noch nie Sterzingers Sache. »Keuschheit und Demut in Zeiten der Cholera« hält einen in Atem, nimmt einen bei der Hand und rennt los, nur um überraschend das Tempo zu ändern, zu drosseln, dann wieder zu erhöhen. Elegien und Serenaden, Instrumentalstücke und Walzer, Schmeicheleien und Dissonanzen.
Für »Keuschheit und Demut in Zeiten der Cholera« hat sich Sterzinger wieder mit seinem musikalischen Weggefährten, dem Bassisten Franz Schaden zusammengetan. Auch Drummer Jörg Mikula kennt man aus dem Sterzinger-Kosmos. Neu mit an Bord ist Gitarrist Edi Köhlhofer.
Stefan Sterzinger bleibt unbequem - und schafft dabei wieder einmal ein intensives, buntes, schlaues und herrlich schelmisches Album. Sowas schönes!
Verfasser*innenangabe:
Sterzinger - Koehldorfer - Schaden
Jahr:
2018
Verlag:
Bayla Records
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Systematik:
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CD.12
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Beschreibung:
1 CD + Beiheft
Fußnote:
1 Sowas Schönes
2 Jede Sekunde fehlst Du mir
3 Taunz ma
4 Ach wie ich mich freu
5 Hin und wieder Walzer sein
6 Ein Schiff wird kommen
7 Westwärts wiesen
8 Jössassna
9 Mein linker Fuß
10 Olles is nix
11 Schlag mich glücklich
12 Finstere Herzen
13 Sag zum Abschied
Mediengruppe:
Compact Disc