Gegenstand vorliegender Arbeit ist mehrsprachige Kommunikation zwischen ImmigrantInnen sowie VertreterInnen der Mehrheitsgesellschaft an der Kontaktschwelle zu Behörden und öffentlichen Institutionen, kurz: Community Interpreting bzw. Kommunaldolmetschen. Während in Ländern wie Schweden, Australien und Großbritannien dieser Bereich weitgehend in Form professioneller Dolmetschpools abgedeckt wird, obliegt es nicht deutschsprachigen oder Deutsch lernenden ImmigrantInnen in Österreich, sich mittels eigener Träger translatorischer Leistungen Zugang zu gesellschaftlichen Informationsressourcen zu verschaffen. Dabei greifen sie oft auf die ihnen naheliegendste Lösung zurück: die eigenen, bilingual sozialisierten Kinder. Letztere sind daher mit Kontexten und Inhalten konfrontiert, die den Erfahrungshorizont von Gleichaltrigen im Allgemeinen überschreiten. Daraus folgend ergibt sich folgende zentrale Fragestellung: Mit welchen Implikationen ist das Dolmetschen für Kinder und Jugendliche, aber auch deren Eltern sowie die beteiligten Institutionen verbunden? Diese Problematik wird vor dem gegenwärtigen sowie historischen Hintergrund der Integrations- und Sprachenpolitik, der Community Interpreting-Forschung sowie bisheriger Forschungsergebnisse zum "Kinderdolmetschen" erörtert und mittels qualitativer Interviews mit 42 in Wien und Vorarlberg wohnhaften Kindern, neun Lehrerpersonen, zwei Müttern und drei Erwachsenen auf ihre Relevanz in Österreich hin untersucht. Dabei zeigte sich, dass Dolmetschen für Kinder nicht nur Risiken, sondern auch Potenziale in sich bergen kann. Inwieweit diese zur Geltung kommen, ist allerdings wesentlich vom Machtgefälle innerhalb des Interaktionskontextes sowie in weiterer Folge von sozioökonomischen Faktoren abhängig.
Mag. Vera Sophie Ahamer, geboren 1977, studierte Geschichte und Romanistik sowie Dolmetschwissenschaft an der Universität Wien.
/ AUS DEM INHALT: / / /
Vorwort | 9
Einleitung: "Wenn nicht ich, dann meine Kinder" | 11
1 Translation vor dem Hintergrund der Sprachenpolitik | 15
1.1 Vom Kaiserhuldigungsfestzug zum Ortstafelstreit | 15
1.2 Strategien zur Bewältigung mehrsprachiger Kommunikation | 24
1.3 Von "Parallelgesellschaften" und deren Integration | 28
1.4 Spracherwerb = Integration? | 35
1.5 Informationszugang in der Wissenshierarchie öffentlicher Institutionen | 43
2 Dolmetschen - (k)eine "Sache der Migranten"?
Zur Problematik des Terminus "Community Interpreting"
in Theorie und Praxis | 53
2.1 Community ... | 53
2.2 ... Interpreting | 58
2.3 "Community Interpreting": "einfach nur Laiendolmetschen"? | 68
2.4 "Community Interpreting" in Österreich und anderswo | 88
3 Kinder und Jugendliche als Dolmetscher:
Potenziale und Risiken | 141
3.1 "Natural Translation" - Dolmetschen als angeborene Fertigkeit | 142
3.2 Fragestellungen und Methoden | 152
3.3 Der Kontext macht den Unterschied | 166
4 Empirische Untersuchung | 171
4.1 Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in Österreich | 171
4.2 Methode und Feld | 182
4.3 Quantitative Analyse | 184
4.4 Qualitative Auswertung | 194
4.5 Jugendliche als "Ersatz-Kommunaldolmetscher"? | 235
4.6 Sprachen- und gesellschaftspolitische Implikation
für dolmetschende Kinder | 253
5 Dolmetschen im schulischen Kontext
Implikationen für die Integration anhand des Beispiels
Kommunikation in der Schule | 275
5.1 "Jo i han scho d'Worheit gset" - Dolmetschen beim Elternsprechtag | 275
5.2 Lehrpersonen über dolmetschende Kinder | 284
5.3 Auswirkungen auf den Bildungsweg | 313
5.4 Dolmetschen mit Kindern und "Profis" - ein Vergleich | 321
5.5 Dolmetschen - die einzige Alternative? j 330
6 Jugendliche über ihre Mütter, Mütter über ihre Kinder | 341
6.1 "Sie ist immer am arbeiten" - die Deutschkenntnisse der Mutter | 341
6.2 "Ich würde mir wünschen, dass ich selbst zurechtkomme" - zwei Mütter
über ihre dolmetschenden Kinder | 344
7 "Ich war der verlängerte Arm der Familie" -
Erwachsene über ihre Kindheit | 349
7.1 "Die ganze Übersetzungsarbeit" - Settings j 350
7.2 "Alle andern wollen hören, was passiert ist" - Elternsprechtag | 351
7.3 "Man kennt uns schon im Landeskrankenhaus" -
Dolmetschen in medizinischen Settings | 352
7.4 "Niemand hört sich mein Zeugs an" -
Vernachlässigung eigener Bedürfnisse | 353
7.5 "Eigentlich bräuchte ich keine Eltern dafür" -
Rollenumkehr und soziales Alter | 355
7.6 "Diesen peinlichen Eindruck ausbügeln" - Scham | 356
7.7 "Papa, es braucht seine Zeit" - Umgang mit zeitlichen Ressourcen | 357
7.8 "Plötzlich war Serbokroatisch die peinliche Sprache" -
Sprachprestige | 358
7.9 "Sie ist total gehemmt" - Sprachkenntnisse der Eltern j 360
7.10 "Man hat es sich eher selber beigebracht" - sprachliche Schwierigkeiten
und die Entwicklung von Dolmetschkompetenzen | 362
7.11 "Dann müssen nicht die Kinder dran glauben" - Kommunaldolmetscher
als Alternative? | 365
8 Elf Thesen anstelle einer Zusammenfassung | 367
9 Anhang | 373
Bibliographie | 375