Verlagstext:
Partizipation, Demokratie und Sozialismus stehen wieder im Zentrum zahlreicher Debatten und angestrebter gesellschaftlicher Veränderungen. Vielen Befreiungs- und Demokratisierungsbewegungen, vor allem in Lateinamerika, ist gemeinsam, das Prinzip der Repräsentation abzulehnen und soziale Transformation und Sozialismus als Prozess zu verstehen. Etatistische und antisystemische Strömungen sind an einem Aufbau von zwei Seiten beteiligt. Dieser ist von Konflikt und Kooperation geprägt, doch gerade aus dem Spannungsverhältnis entsteht das völlig Neue. In Venezuela wird seit Chávez’ Amtsübernahme 1999 eine partizipative und protagonistische Demokratie postuliert. Seit 2006 verortet sich der Prozess explizit in der sozialistischen Tradition der Rätemodelle. Am weitesten fortgeschritten sind die Kommunalen Räte als nicht-repräsentative lokale Selbstverwaltung. Hinzu kommt eine Demokratisierung der Besitz-, Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Ausgehend vom konfliktiven Verhältnis zwischen konstituierender und konstituierter Macht geht Dario Azzellini der Frage nach, ob und wie ein völlig neues Gesellschaftsmodell entsteht. Sein Buch ist also keine Länderstudie für Lateinamerikaspezialisten, sondern liefert Ergebnisse und Anregungen, die auch international für die Suche nach demokratischen sozialistischen Alternativen und die Möglichkeiten, radikale Veränderung aktuell zu denken, von Bedeutung sind.
/ AUS DEM INHALT: / / / Einführung 10
Teil 1: Von der ausschließenden Demokratie
zur partizipativen Verfassung
Kapitel 1: Entstehung und Niedergang des traditionellen Parteiensystems 26
1.1 Demokratisierung, demokratischer Putsch
und Diktatur (1936-1958) 27
1.2 Der Pacto de Punto Fijo: Vom Abkommen zum System 29
1.3 Venezuela Saudita und die Reformlinke 35
1.4 Die 1980er Jahre: Krise und Protest 39
1.5 Die anti-neoliberale Revolte Caracazo 41
1.6 Von der sozialen zur politischen Polarisierung 43
Kapitel 2: Militärs, bewaffnete Linke und Bolivarianismus 50
2.1 1958 bis 1969: Rechte Putschversuche, linke Militäraufstände und
die GuerillaDas Militär als Verteidiger der paktierten Demokratie ..50
2.2 Vom Erdölboom zur Krise: Korruption, Klassenwidersprüche,
Verteilungskämpfe und die Option des zivil-militärischen
Aufstandes 55
2.3 Krise und zivil-militärische Organisierung 58
2.4 Die zivil-militärischen Aufstände von 1992 60
Kapitel 3: El Bolivarianismo 63
3.1 Politische, soziale und kulturelle Einflüsse des Bolivarianismus 67
3.2 Chávez, MBR-200 und die programmatisch-ideologischen
Grundpfeiler des politischen Projekts 68
Kapitel 4: Der verfassungsgebende Prozess und die neue Verfassung 72
4.1 Die verfassungsgebende Versammlung
und der Weg zur neuen Verfassung 72
4.2 Die Verfassung der Bolivarianischen Republik Venezuela 78
4.3 Kritik an der Verfassung von 2000 81
4.4 Die gescheiterte Verfassungsreform 2007 83
Teil 2: Demokratie, Partizipation und Pueblo Soberano
Kapitel 5: Demokratie, Zivilgesellschaft und Populismus 88
5.1 Demokratie in Lateinamerika 91
5.2 Venezuela: Demokratie versus Demokratie 96
Vorwurf delegative Demokratie 99 | Einige Anmerkungen zur
Justiz in Venezuela 99 | Wahlen in der República Bolivariana de
Venezuela 102 | Demokratische Verfasstheit der Bevölkerung 106 |
Antipolitik oder Ablehnung der Repräsentation? 108
5.3 Zivilgesellschaft 110
Unrühmliche Rolle des Begriffs Zivilgesellschaft in Venezuela 112
5.4 Populismus: Verführung oder potenziell revolutionäre
Mobilisierungstechnik 115
Kapitel 6: Partizipative und protagonistische Demokratie 125
6.1 Partizipation, direkte und radikale Demokratie 125
Partizipation: Eine notwendige Klärung 125 | Direkte und radikale
Demokratie 127
6.2 Konstituierende Macht und Gegenmacht 130
Konstituierende Macht - Das Konzept von Antonio Negri 131 |
Venezuela: Konstituierende und konstituierte Macht 137 | Gegenmacht:
Widerstand, Aufstand und konstituierende Macht 142
6.3 Die andere Demokratie und die andere Revolution 144
Partizipative und protagonistische Demokratie in Venezuela 144 |
Partizipation von Frauen 150 | Parteien und Partizipation 151 |
Poder Popular als Praxis des Aufbaus des Sozialismus 154 |
Gefahren und Probleme im Aufbau von Poder Popular 158 |
Estado Comunal - Staat oder Nicht-Staat 159
Kapitel 7: Klasse, Multitude und Pueblo Soberano 161
7.1 Klasse und Klassenkampf: eine marxistische Interpretation 161
7.2 Multitude als Klasse? 164
7.3 Klasse und Pueblo Soberano 166
Zentralität des Territoriums: Barrio und Comunidad als Ebene der
Identifikation 171
Kapitel 8: "Soziale Bewegungen" und Selbstorganisierung 174
8.1 Soziale Bewegungen als politische Akteure: Neue Parameter
und veränderte Strategien 174
Populare Bewegungen und Organisationen im neuen Umfeld 177 |
Selbstorganisierung von oben? 180
Teil 3: Soziale, ökonomische und politische Partizipation:
Mechanismen und Ergebnisse
Kapitel 9: Die Sozialpolitik der Chávez-Regierung 184
9.1 Misiones - Flexible Parallelinstitutionen 186
9.2 Misiones konkret 192
Barrio Adentro: Aufbau einer flächendeckenden kostenlosen
Gesundheitsversorgung 194 | Misión Alimentación: Ernährung als
Grundrecht 197 | Priorität Bildung 201
Kapitel 10: Weitere Formen der protagonistischen Partizipation 206
10.1 Mesas Técnicas de Agua - Partizipation an der Gestaltung
der Trinkwasser- und Abwasserversorgung 206
10.2 CTU: Urbane Landkomitees 209
10.3 Contraloría Social 212
10.4 Parlamentarismo Social de la Calle - Die öffentliche Debatte
von Gesetzesinitiativen 213
Kapitel 11: Demokratisierung der Verwaltung von und des Besitzes
an Produktionsmitteln 216
11.1 "Andere" Entwicklung und Ausbildung 220
Die radikale endogene Entwicklung 220 | Berufsbildung: Von der
Misión Vuelvan Caras zur Misión Che Guevara 222
11.2 Neue Unternehmensformen und soziale Verantwortung
der Produktion 225
Kooperativen 225 | EPS: Drei Namen - ein Kürzel 228 | Rückeroberte
Unternehmen 230
11.3 Cogestíon, Selbstverwaltung und Arbeiterkontrolle 233
Privatunternehmer zur cogestión bewegen: Fábrica adentro 234 |
Von der Cogestión zu den Räten 235 | Die "rückeroberte" Fabrik
Inveval 236 | Von der Enteignung zur Cogestión 237 | Von der
Kooperative zur sozialistischen Fabrik 239 | Die staatliche Aluminiumhütte
Alcasa 240 | Die Cogestión Revolucionaria 240 |
Die Niederlage der Cogestión: Ursachen und Perspektiven 242
11.4 Auf der Suche nach der sozialistischen Ökonomie 244
Kapitel 12: Die Entwicklung Venezuelas in Zahlen 248
Teil 4: Formen lokaler territorialer Partizipation:
Die Consejos Comunales und ihre Vorläufer
Kapitel 13: Ursprünge der Consejos Comunales
und Vorläufer der lokalen Partizipation 261
13.1 Partizipativer Haushalt 261
13.2 Der gescheiterte Ansatz der CLPP 262
13.3 Constituyente Municipal 265
13.4 Formen lokaler Selbstregierung und Partizipation 267
Gobiernos Comunitarios im Munizip Libertador (Carabobo) 267
| GOL in Caracas 269
Kapitel 14: Die Consejos Comunales 271
14.1 Die Entstehung der Consejos Comunales 272
Konstituierung und Zusammensetzung der CCs 274 | Die Präsidialkommissionen
der Poder Popular 276 | Rigides Gesetz und
flexible Praxis 277 | Finanzierung und Finanzverwaltung der
CCs 278 | Projekte der CCs 281 | Dezentralisierung oder Zentralisierung
284 | Selbstverwaltung auf höherer Ebene: Comunas
Socialistas und Ciudades Comunales 285
14.2 Entwicklung, Stand und Widersprüche der CCs 287
Das Verhältnis zwischen CCs und Institutionen 290 | Consejos
Comunales und Movimientos Populares 294 | Verhältnis CCs
und Comunidades 297 | Die Aneignung der Consejos Comunales
durch die Comunidades und den Staat 299
Kapitel 15: Die Consejos Comunales als Partizipations instrument -
eine empirische Untersuchung in Caracas 301
15.1 Consejo Comunal "Emiliano Hernández",
Magallanes de Catia, Caracas 303
15.2 Consejo Comunal "Benito Juárez", Libertador, Caracas 320
15.3 Weitere Consejos Comunales in Caracas im Überblick 332
15.4 Schlussfolgerungen 341
Schluss: Partizipative und protagonistische Demokratie und Aufbau
von zwei Seiten - eine vorläufige Bilanz 350
Wahlen zur Nationalversammlung 2010 359
Anhang 363
Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 364
Abkürzungen 365
Interviews 368
Literatur 373