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Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung

Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Bernfeld, Siegfried
Verfasser*innenangabe: Siegfried Bernfeld
Jahr: 2017
Verlag: Frankfurt am Main, Suhrkamp
Mediengruppe: Buch
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Inhalt

VERLAGSTEXT: / / "Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung" erschien zuerst 1925 in Leipzig im Internationalen Psychoanalytischen Verlag. Viertausend Exemplare wurden von der ersten Auflage gedruckt, und in über fünfzig Zeitungen und Zeitschriften wurde das Buch angekündigt und besprochen; 1928 erschien es in zweiter Auflage. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es 1967 - um diese Zeit waren auch verschiedene Raubdrucke der Ausgabe von 1925 in Umlauf - vom Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, neu aufgelegt; weitere Auflagen erschienen 1970, 1971, 1973, 1976, 1979, 1981, 1985, 1990 und 1994 (Paret 1992, S. 16; Ritzi/ Horn 2000, S. 14). Eine Ausgabe in englischer Übersetzung wurde 1973 publiziert, versehen mit einem Vorwort von Anna Freud. / / / / Wie die zitierten zeitgenössischen Äußerungen aus dem Einflußbereich Eduard Sprangers einerseits, von Wilhelm Reich andererseits erkennen lassen, war die Rezipientenschaft des Buchs von Anfang an scharf gespalten. Bernfeld, der der Pädagogik völlige Unwissenschaftlichkeit, Empirielosigkeit und Ideologiehaftigkeit - mit einem Wort: ihren Mangel an "Tatbestands-Gesinnung" - nachsagt (p 13 und passim), kommt in der von Spranger mitherausgegebenen Zeitschrift "Die Erziehung", die ebenfalls seit 1925 erschien, schlicht nicht vor, ebensowenig übrigens in Wilhelm Hehlmanns "Wörterbuch der Pädagogik", erste Auflage 1931, siebte, neubearbeitete Auflage 1964, sowie in Hermann und Heinz Weimers erstmals in den zwanziger Jahren erschienener "Geschichte der Pädagogik", 17. Auflage 1967; erst in der 19., von Juliane Jacobi völlig neu bearbeiteten Auflage wird Bernfeld kurz und treffend gewürdigt (1992, S. 206). Gar nicht wiederum kommt er vor in Albert Rebles "Geschichte der Pädagogik" von 1951, zehnte, abermals durchgesehene Auflage 1969, erstaunlicherweise auch nicht im "Wörterbuch der Erziehung", herausgegeben von Christoph Wulf, erste Auflage 1974, ein Sachverhalt, der eher in die Rubrik "die wichtigsten Bücher werden nicht zitiert" (Katharina Rutschky) fällt, anders als etwa bei Dietrich Benners "Hauptströmungen der Erziehungswissenschaft", Erstauflage 1973, in welcher es ebenfalls keinen expliziten Hinweis auf Bernfeld gibt. / / / / In der Neuauflage der "Hauptströmungen" von 1978 taucht Bernfeld in einer Fußnote auf mit der Bemerkung, "daß er von einem pädagogischen Klassiker wie Herbart keine Ahnung gehabt habe" (Niemeyer 1998, S. 173). In der dritten, verbesserten Auflage von 1991 ist jeder explizite Hinweis auf Bernfeld dann wieder getilgt, und die "Kritik affirmativer Pädagogik" erledigt Benner (in Fußnote 59) mit dem Hinweis auf zwei andere Schriften, darunter eine von ihm selber. Auf der anderen Seite setzt sich Benner in einer Art programmatischem Anti-Bernfeld sehr wohl mit diesem auseinander. So trennt er das seines Erachtens pädagogische Eigentliche - die "Frage nach den Aufgaben und der Sinnbestimmtheit der Erziehung" im Verhältnis der erziehenden und zu erziehenden Generationen - säuberlich von "sozialwissenschaftliche[n] Analysen des Bedingungsgefüges der Erziehungswirklichkeit": Es sei falsch, diese "als Erziehungswissenschaft auszugeben" (Benner 1991, S. 119, vgl. S. 155). / / Ähnlich bestimmen Luhmann/ Schorr (1979, S. 19) das Verhältnis von Pädagogik und Gesellschaftstheorie. Am Beispiel von Bourdieu/ Passerons Analyse der "Illusion der Chancengleichheit" (1971) inkriminieren sie die Hereinnahme gesellschaftskritischer Untersuchungen in die Pädagogik als 'fatal' und 'wenig hilfreich'. Nach Bernfeld (p 67) ist sie hingegen geradezu Voraussetzung für die erziehungswissenschaftliche Emanzipation der Pädagogik, dafür, daß sie ihre herrschaftsstabilisierend-ideologischen Funktionen erkennen und abstreifen kann. / / / / Spranger seinerzeit sah sich im Sisyphos übrigens nicht nur indirekt als führender Repräsentant der kritisierten geisteswissenschaftlichen Pädagogik angesprochen, die ja bis in die sechziger Jahre hinein dominant war. Er ist auch namentlich genannt: in der Einleitung (p 98) zur Rede des fiktiven Unterrichtsministers Macchiavell, der mit unüberbietbarem Zynismus die Mechanismen der bürgerlichen Klassenherrschaft im Erziehungswesen offenlegt, die zu verschleiern und ideologisch zu rechtfertigen Pädagogen gehalten werden (pp 98-106). Selbst Sigmund Freud, der in der Auseinandersetzung um die Lehrauftragserteilung sehr positiv über Bernfeld gutachtete, fand einige seiner Folgerungen "allzu schroff" (zit.n. Tenorth 1992, S. 33; zur - indirekten - Auseinandersetzung Sprangers mit Bernfelds These vom Primat der Erziehungsorganisation vgl. Furck 1967/1989, S. 21). / / / / Freuds Zusammenfassung des Sisyphos lautet im übrigen wie folgt: Das Buch "bemüht sich um den Nachweis, daß nicht wie bekannt das Können der Erzieher und die Natur der kindlichen Psyche der Erziehung eine Grenze setzen, sondern daß die 'Gesamtstruktur der erziehenden Gesellschaft' dabei eine entscheidende Rolle spielt" (zit.n. Tenorth ebd.; vgl. dens. 1999). / / / / Bernfeld selbst formuliert den Zusammenhang von Erziehung und Gesellschaft z.B. so: Ob ein Kind die Oberschule besucht oder frühzeitig in die Fabrik muß, ist nicht vom Maß seiner Erziehbarkeit abhängig - in diesem Punkt ist Bernfeld ganz optimistisch (pp 143ff, 155) -, sondern von seiner sozialen Herkunft, davon, "ob es 10 Pfennig hat für Bücher oder 150 Mark" (p 118). Und: Welche Inhalte, welche Moral, welche Art von Menschen die Schule produziert, ist ökonomisch bestimmt, ist Folge bestimmter historisch-materieller Konstellationen "im Machtkampf zwischen Sozialismus und Kapitalbürgertum" (ebd.). / / / / Oder: Welche Bücher Kindern zur Verfügung stehen, ist keine Frage der Qualität, sondern der Bereitschaft von Geldgebern, die Druckkosten zu bezahlen, und diese Bereitschaft wiederum hängt von der Aussicht ab, "sie zurückerstattet zu bekommen mitsamt Zins und Profit. Und so weiter. Ja, es ist kein Ende dieser pompösen Banalitäten: Die Erziehung braucht Geld; und das Geld hat das Bürgertum. Es denkt nicht daran, es unrentabel zu investieren; am wenigsten wird es sich geneigt finden, in dieser oder jener Weise den Sozialismus zu stärken. Das Kapital und sein Bürgertum hat kein Interesse an der Steigerung der Kultur. Was es so nennt, sind ausschließlich die Befriedigungen seiner eigenen kulturellen Bedürfnisse" und deren Sicherung "durch ideologisches Getriebe" (ebd.). / / / / Die Einsicht in die materielle Bedingtheit jeder historisch vorfindlichen Organisation der Erziehung (pp 122f) brachte Bernfeld zu der Folgerung, daß 'irgend beträchtliche' Änderungen im Erziehungsbereich ihrerseits grundlegende Veränderungen der Gesellschaftsstruktur voraussetzten: Vom Erziehungsbereich selbst, von der Summe pädagogischer Handlungen, könnten solche Veränderungen nicht ausgehen, sie seien Sache von Politik und Klassenkampf. / / / / Daher bezeichnete Bernfeld die "verbreitete Reformtheorie" der Erziehung als "in sich falsch", wonach durch Ausbreitung von Musterinstitutionen allmählich "das ganze Erziehungswesen die neue dort verwirklichte Form erhalten" würde. Oder wonach, wenn nur alle Erzieher alle Einzelnen zu "hochstehenden, sittlichen Persönlichkeiten" erzögen, bald die ganze Gesellschaft aus solchen bestünde (pp 123, 128). Niemals, so hatte Bernfeld erkannt, würde das Bürgertum dem Proletariat gleichen Anteil am gesellschaftlichen Reichtum zubilligen; das könnte nur in einer Wirtschaftsordnung geschehen, die nicht durch die unstillbare Raffgier der Kapitalistenklasse bestimmt und in welcher die Arbeit Aller von äußerem Zwang befreit wäre: / / / / Solange jedoch "(dient) die Wirtschaft keineswegs dazu., den Hunger der Menschheit, ich meine jedes einzelnen Menschen, zu stillen, sondern dazu, den durch Genuß überreizten Appetit ihrer Minderheit, .der Angehörigen der herrschenden Klasse, bis zur Übersättigung zu befriedigen. Wobei als idealer Wirtschaftszustand der intendiert wird, in dem die herrschende Klasse nicht nur von jeder körperlichen Arbeit befreit ist, sondern ihre wirtschaftliche Tätigkeit sich im Konsum der Wirtschaftsgüter und in der Produktions-Leitung. erschöpft." (p 95) / / / / Aufgabe der gegebenen Erziehungseinrichtungen sei daher auch keineswegs die Vorbereitung des Einzelnen auf die Wirtschaftsfähigkeit, sondern die Erzeugung von Akzeptanz der bestehenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse - ein Sachverhalt, der sorgfältig verdunkelt werde, und: "Die intensivste Dunkelheit geht von der Pädagogik aus" (ebd.). / / / / Zuletzt hat Erik Adam hervorgehoben, daß Bernfeld mit "seiner Analyse der Selbsttäuschung der Pädagogen und der bürgerlichen Pädagogik überhaupt, die sich einbildet, eine Wissenschaft zu sein, ohne die tatsächliche Erziehung in ihrer gesellschaftlichen Funktion in den Blick zu bekommen und dabei nicht sieht (oder sehen will), daß die von [ihr] postulierten Ziele unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen nicht erfüllbar sind, .ein Musterbeispiel für luzide Ideologiekritik geliefert (hat), das bis heute anregend geblieben ist." (1992, S. 104) / / / / Siehe auch Pritz: "Einhundert Meisterwerke der Psychotherapie"

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Verfasser*innenangabe: Siegfried Bernfeld
Jahr: 2017
Verlag: Frankfurt am Main, Suhrkamp
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ISBN: 978-3-518-27637-2
2. ISBN: 3-518-27637-9
Beschreibung: 13. Auflage, 155 Seiten
Schlagwörter: Geschichte, Erziehung, Geschichte 1925, Kapitalismus, Quelle, Landesgeschichte, Ortsgeschichte, Regionalgeschichte, Zeitgeschichte, Education (eng), Erziehungspraxis, Kapitalistische Gesellschaft , Kapitalistische Wirtschaft , Kapitalistisches Gesellschaftssystem , Kapitalistisches Wirtschaftssystem
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Sprache: Deutsch
Mediengruppe: Buch