VERLAGSTEXT:
Der Prozess der westlichen Zivilisation vollzieht sich im Zeichen einer wachsenden Entfremdung von der Natur. Voll ins Bewusstsein tritt dieser Vorgang zum ersten Mal im Zeitalter der Aufklärung, wo Schriftsteller wie Rousseau und Schiller den so entstehenden Zwiespalt registrieren und kritisch kommentieren. Symptom der Krise ist paradoxerweise eine poetische Naturschwärmerei, die ihren Gegenstand umso sehnsüchtiger umwirbt, als er ihr innerlich fern und fremd bleibt. Von Schiller stammt die Aussage, dass unser Gefühl für Natur der Empfindung des Kranken für die Gesundheit gleiche.
Kompensiert also Natur im literarischen Text ihren Mangel im realen Leben, beschränkt sich die Darstellung freilich nicht auf die äußere und sichtbare Welt. Wenn Zivilisation ein Tagesgeschehen ist, erstreckt sich Natur auch auf die Nachtseite des Lebens, auf die hier schlummernden, tief verborgenen Kräfte besonders der Psyche. In Magie und Mythos macht sich ihr Widerstand gegen rationalistische "Entzauberung" (Max Weber) geltend, in Sexualität, Revolte und Krieg ihr Aufruhr gegen Unterdrückung und Stillstand.
Widerstand gegen Zivilisation erfolgt im deutschen Sprachraum im Namen von "Kultur". So problematisch jene Rückwendung zumal zu Eros und Gewalt ist, assoziiert sich das Streben nach Natur seit dem 18. Jahrhundert doch mit einer Konzeption kultureller Bestätigung, die im selben Maße ästhetisch verstanden und bewertet wird, wie zivilisatorisches Handeln auf den Begriff von Handwerk und Technik, Nutzen und Gewinn, Staat und Gesellschaft reduziert wird. Auch die moderne Spaltung in Geistes- und Naturwissenschaften ist weitgehend kompatibel mit dieser Dichotomie, sie geht im Grunde auf sie zurück.
AUS DEM INHALT:
Inhalt
Vorwort
I. Im Zeichen von Ferne und Fremde
1. Naturgefühl und Reflexion
2. Eine Lektion für Ökonomie und Wissenschaft
II. Nachtseite der Natur
3. Anschauung der Nacht im Licht
4. Schlafes Bruder
III. Naturzauber redivivus
5. Gespaltene Identität
6. Narrheit und Wahnsinn
IV. Aufstand der Affekt- und Triebnatur
7. Enthüllungsszenarien
8. Revolte und Krieg
V. Ganzheitskonzept
9. Spiel-Arten
10. Organisch Gewachsenes
Epilog: "Kultur" vs. "Zivilisation"
Zitierte Literatur
Quellennachweis: (Vor-)Arbeiten des Verfassers
Namensregister
Verfasser*innenangabe:
Lothar Pikulik
Jahr:
2016
Verlag:
Hildesheim ; Zürich ; New York, Georg Olms Verlag
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ISBN:
978-3-487-15418-3
2. ISBN:
3-487-15418-8
Beschreibung:
242 Seiten
Schlagwörter:
Deutsch, Literatur, Natur <Motiv>, Belletristik, Deutsche Sprache, Dichtung, Hochdeutsch, Literarisches Kunstwerk, Neuhochdeutsch, Schöne Literatur, Sprachkunst, Sprachliches Kunstwerk, Wortkunst
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Fußnote:
Literaturangaben
Mediengruppe:
Buch