Wie ernähren wir uns verantwortungsvoll? Ernährungsethik zählt zu den neuesten Entwicklungen der praktischen Philosophie. Angesichts der globalen Ernährungskrise stellt sie sich den unausweichlichen Fragen: Wie kann sich die Menschheit ernähren? Wie »gut« sollten wir essen, so dass alle in den Genuss guten Essens kommen? Wie lässt sich eine Gastroethik begründen?
Weit mehr als von Kapitalismuskritik oder der Ausweitung der internationalen Protestbewegungen geht die Ernährungswende von unserem Denken aus – von einem gastrosophischen Umdenken. Harald Lemke macht deutlich: Es ist höchste Zeit, die dafür notwendigen Grundlagen zu schaffen und mit einer radikalen Selbstkritik der westlichen Philosophie des Essens zu beginnen.
Neuausgabe – mit einem ausführlichen Vorwort zur Frage: »Was isst der Mensch?«
(Verlagstext)
/ AUS DEM INHALT: / / /
Was isst der Mensch? Vorwort zur Neuauflage (2 016) | 13
Das Internationale Forum Gastrosophie und der Deutsche Ethikrat | 17
Unser täglich Fleisch | 20
Bio logo! | 22
Auf ein Bier? | 25
Wie revolutionär gedeihen deine Tomaten? | 27
Der eine oder andere Kuchen | 31
Nahrungskriege und die neue unschöne Geopolitik des Essens | 35
Flüchten oder Gärtnern - syrisches Netzwerk für Nahrungssouveränität | 39
Afrikanische Bootsflüchtlinge und deutsche Blauhelmsoldaten | 40
Kochen und genießen - um sein Leben zu ändern? | 42
Gastroethischer Anarcho-Sozialismus | 45
Rezepte für die Garküche der Zukunft | 47
Die Aktualisierung einer alten Missachtung | 48
Gutes Leben auf bolivianisch und die essthetische Idee einer Vokü | 50
Entrée | 55
/ I Hauptgang: Genealogie der Diätmoral
1 Das wilde Tier in uns oder die klassische Diätmoral | 63
Vorbemerkung | 63
Platons Verkennung der Kochkunst | 64
Völlerei und Überfülle: ein falsch erfülltes Wohlleben | 69
Gesundheitliche Schäden durch Fehlernährung und schlechtes Essen | 72
Extrabeilage: Schlechte Heilkunst | 74
Geburt des Krieges aus unersättlichem Welthunger | 76
Tugendlehre der kulinarischen Mäßigkeit | 78
Aristotelischer Antivegetarismus | 80
Extrabeilage: Pythagoreische Ernährungslehre | 82
Theorie der Essstörungen und Vorarbeiten zur Gastropathologie | 85
Der aristotelische Diätratgeber: Nicht zu viel und nicht zu wenig | 87
Das platonische Diätprogramm einer spartanischen Küche | 89
Politische Regelungen des Symposienwesens und die Beispielhaftigkeit des Symposions | 93
Rationalistische Anthropologie als Ursprung der Fastfood-Mentalität | 95
Das wilde Tier in uns | 97
Nachgeschmack der klassischen philosophischen Diätetik | 101
Organloses Denken und leibloser Geist | 104
2 Das harte Brot stoischer Tugenden oder Senecas Attacke gegen die feine Küche | 107
Volle Kochvorlesungen und leere Philosophenseminare | 107
Extrabeilage: Apicius - der römische Stargastronom | 109
Die Geburt der feinen Küche | 111
Eine Soße für alles | 114
Lukullische Verhältnisse und ihre Folgeerscheinungen | 118
Extrabeilage: Galens Diätetik | 123
Pflicht und Tugend der Unersättlichkeit als Syndrom der gesellschaftlichen Bulimie | 125
Anorektische Mentalität der stoischen Selbstentsagung | 128
Plutarchs Tischgespräch | 132
3 Zur Heiligkeit des abendlichen Mahls oder Jesus essen | 139
Vorbemerkung | 139
Das letzte Mahl des Herrn | 141
Gastrotheologische Symbolik | 145
Extrabeilage: Das Therapeutenmahl | 149
Brotrhetorik oder Jesus das Brot | 150
Christologische Mystifizierung | 153
Extrabeilage: Anstiftung zum Kannibalismus | 156
Der Sinn der Tischrede | 157
Mahlethische Kontextualisierung des letzten Mahls | 164
Tempelreinigung und Substitution des Tieropfers | 166
Hellenistisch-römische Tischgemeinschaften | 168
Die folgenreiche Gabe geteilten Essens | 171
Sättigende Speisen und Erinnerungen an den paradiesischen Genuss | 172
Extrabeilage: Der göttliche Genuss verbotener Früchte | 173
Neue Tischsitten, vegetarische Speisegebote, Wohlfeiles vom Fleischmarkt | 178
Jesus der Epikureer | 182
Von der Charis zur Eucharistie, von der Küche zur Kirche | 184
Die Korinther Mahlgemeinschaft und die paulinische Auflösung der Tafelrunde | 185
Auflösung der Mahlgemeinschaft durch die Eucharistie | 188
Historische Entwicklung | 191
4 Zum Geständniszwang süßer Sünden oder die augustinische Doppelmoral einer unreinen Genussgier | 195
Unerwartete Einladung zu Fleisch- und Weingenuss | 195
Großes Laster und höchstes Übel | 200
Fasten und heilige Anorexie | 203
Magere Zeiten und klösterliches Schlaraffenland | 207
Bernhard von Clairvaux als Gastronomiekritiker | 208
Extrabeilage: Zum Schlaraffenland | 212
Küchenlatein und Carmina Burana | 214
Süße Sünden - Erbsünden | 216
Das geständige Reden über das ständige Essen | 218
Essen schlecht reden | 221
Resümee | 225
5 Kritik der rein diätmoralischen Vernunft oder die Antinomie der kantischen Ernährungsphilosophie | 227
Vorbemerkung | 227
Kantianische Moralität als Diätmentalität | 229
Diät-Pflichten | 233
Theoretische Grenzen einer rein diätmoralischen Vernunft | 237
Kants Diätetik | 239
Philosophische Begründung einer diätetisch richtigen Ernährung | 243
Hufelands Makrobiotik | 247
Phantastische Tugendhaftigkeit und Mikrologie der Fischspeise | 248
Medizinisch-diätetische Kritik der raffinierten Kochkunst | 253
Streit um die Suppe | 256
Diätetische Unvernunft der kantischen Küche | 260
Kritik der diätetischen Vernunft | 266
Extrabeilage: Die moralische Pflicht, sich vernünftig zu berauschen | 268
Zur Antinomie des Weingenusses | 274
Die Küche als Entstehungsherd der Geschmacksästhetik | 278
Abbruch des Geschmacks der Zunge, des Gaumens und des Schlundes | 279
Kants Versäumnis | 281
Ästhetischer Begriff des kulinarischen Geschmacks | 283
Antinomie des Geschmacks | 286
Der unbekannte Gastrosoph Kant | 292
Humanität der vollen Tafel als Tugend eines guten Lebens | 293
Gesetze der verfeinerten Menschheit: Regeln eines geschmackvollen Gastmahls | 297
Allgemeine Bedingungen der Möglichkeit einer gesitteten Glückseligkeit | 301
Zu Tisch bei Kant | 305
Resümee: Kants ernährungsphilosophische Antinomie als Muster einer gestörten Esskultur | 309 /
IIHauptgang: Gastrosophische Vordenker
1 Der Entstehungsherd des gastrosophischen Denkens oder "Die Meisten leben um zu essen, ich hingegen esse um zu leben." (Sokrates) | 315
Vorbemerkung | 315
Der Quirl oder die Frage nach der Küchentechnik | 317
Sokrates der Begründer der Neuen Küche | 319
Götter in der Küche und die Weisheit des Kochs | 323
Gastrosophische Vernünftigkeit einer diätmoralischen Unvernunft | 327
Gendertrouble im Hause Sokrates' und Xanthippes | 332
Einkaufen in der Marktstraße | 337
Herkunft der Esswaren | 339
Ethische Ökonomie und Konsumpolitik | 343
Muss Gutes teuer sein? | 348
Bäuerliche Landwirtschaft: Ansätze zu einer gastrosophischen Umweltethik | 350
Stadtkritik und Landidylle | 351
Die Kunst des Weinanbaus | 355
Extrabeilage: Zur Würdigung der bäuerlichen Existenz | 356
Kritik der vorsokratischen Naturphilosophie als Ursprung der sokratischen
Kultur- oder Humanwissenschaft | 358
Notwendigkeit einer sokratischen Naturwissenschaft | 360
Gaia-gerechte Naturpraxis | 363
Sokratisches Gastmahl als Telos einer gastrosophischen Esskultur | 366
2 Die Ursprünge der Naturheilkost oder "Lasst eure Nahrungsmittel Heilmittel sein" (Hippokrates) | 375
Vorbemerkung | 375
Naturgeschichte der Küche als trophologische Anthropogenese | 377
Extrabeilage: Darwinistische Gastroanthropologie | 381
Vom Rohen zum Gekochten | 383
Wahrheit des Ernährtseins: der menschliche Leib als Bioindikator | 384
Herkunft der Viersäftelehre | 387
Wissenschaftliche Ernährungslehre und Naturheilkost | 392
Die individuelle Natur der Menschen | 397
Die Dogmatisierung der Säftetheorie durch die Nachfolger des Hippokrates | 400
Das Individuum als Subjekt der diätetischen Lebenspraxis | 404
Ethik der gesunden Lebensweise und ihre gesellschaftlichen Voraussetzungen | 408
Umweltliche Einflüsse als konstitutive Faktoren der menschlichen Physis | 410
Extrabeilage: Kochkunst des Arztes | 414
Sex-res-non-naturales: Diätetik als eine Facette der gastrosophischen Lebenskunst | 416
Resümee der antiken Diätetik | 418
3 Wahrer Hedonismus oder Epikurs Gemüsegarten und seine Früchtchen | 423
Anfang und Wurzel alles Guten ist die Freude des Magens | 423
Gute Lust und großes Übel | 425
Wahre Üppigkeit | 428
Epikur am Herd? | 430
Der epikureische Garten | 431
Extrabeilage: Römische Landwirtschaftstheoretiker | 434
Die Diffamierung der Epikureer | 435
Wir Epikureer? | 437
Platina oder zum Ursprung des modernen Epikureismus | 439
Frühaufklärerische Kuchenmaisterey | 441
Moderne Kochakademie | 443
Gracians ethischer Begriff des bon gusto | 444
Thomasius und der moralische Geschmacksbegriff der frühen Aufklärung | 446
Rousseaus kreative Landküche | 448
Der natürliche Geschmack? | 450
Umwelt- und sozialverträglicher Einkaufskorb | 453
Verbraucherschutz und der Makel der Gewächshauskultur | 454
Neue Gesellschaftsordnung als neue Tischordnung | 457
Extrabeilage: Die Bewegung der neuen Kulinarier und ihr kulinaristisches Manifest | 459
Rumohr: Der Geist der Kochkunst | 463
Kulinarische Kreativität oder das Kochkünstlersubjekt | 465
Antonin Carême und die klassische Grande Cuisine | 467
Kulinarische Sachkenntnis | 469
Grundsätze einer Politischen Gastrosophie | 471
Kurzer Rückblick | 473 /
4 Der Mensch ist was er isst oder zum Ursprung der gastrosophischen Feuerbach -These | 475
Grundsätze einer Philosophie der Zukunft: a ventre principium | 475
Zur Freiheit der menschlichen Essistenz und die wahre Universalität des Geschmackssinns | 480
Gemeine Hausmannskost, alltäglicher Familientisch, öffentlicher Festschmaus | 481
Erst das Essen, dann die Moral - des Essens | 484
Die revolutionären Kräfte der Leguminosen | 487
Menschwerdung der Natur | 490
Metaphysik des porösen Ichs, Vorgang des Objekts | 492
Gastrosophische Religionskritik und Ursprung der Götter Speise | 494
Das Geheimnis des Speiseopfers | 498
Extrabeilage: Technokratische Götzendämmerung | 501
Humane Religiosität des Abendmahls | 503
5 Delikater Geschmack oder Nietzsches Lehre von der moralischen Wirkung der Nahrungsmittel | 507
Die moralische Wirkung der Nahrungsmittel | 507
Nietzsches Eingeweide | 510
Alltägliche Vernunft | 513
Die ganz persönliche Küche | 515
Zarathustras Abendmahl | 519
Selbstkochen als königliche Lebenskunst und der Philosoph als Homo sapiens | 522
Gastrosophische Vegetarier | 524
Extrabeilage: Die Anfänge des modernen Vegetariertums | 526
Nietzsches Pro und Contra zum Vegetarismus | 529
Naumburger Zuckerbrötchen, Braunschweiger Würstchen und reichlich Lachsschinken | 535
Nietzscheanischer Wahnsinn | 538
6 Zusätze: Ingredienzen einer kritischen Theorie des guten Essens | 543
Kritik des globalen Unrechts der Ungleichheit von Übersättigung und Hungerleiden | 544
Kritik der Umweltzerstörung durch die global vorherrschenden Ernährungsverhältnisse | 545
Kritik der Esskulturindustrie als Betrug an den Massen und freiwilliger Entmündigung | 547
Beschädigtes Leben als Sozialpathologie eines fehlernährten Lebens | 550
Kritik des praxisphilosophischen Defizits der Kritischen Theorie | 553
Unbegründete Enthaltsamkeit der Gegenwartsphilosophie gegenüber dem guten Essen | 555
Primat der Ethik von der Politik (und der Ökonomie) | 557
Sonderstellung des Essens als Praxis der Freiheit | 558
Literatur | 561