(I-22/18-C3) (GM ZWs / PL,RG)
Vielen jungen Erwachsenen erscheinen die eigenen Eltern wie Fremde. Wie aber geht man damit um, wenn nach einem Studium die Wortwahl, aber auch die Werte und der Blick auf die Welt ganz anders sind als bei den Eltern? Wenn sie sich angegriffen fühlen von den Lebensentscheidungen des Kindes? Wie wird man damit fertig, wenn der Vater AfD wählt? Oder damit, wenn man sich selbst als Deutsche, die Mutter sich aber als Türkin fühlt? Die FAZ-Journalistin Leonie Feuerbach spürt einzelnen Geschichten nach, befragt Betroffene, wie es zur familiären Entfremdung gekommen ist und wie sie mit diesem schambesetzten Thema umgehen. Ob es nun die politischen Einstellungen sind, Patchwork-Konstellationen oder Differenzen im Glauben – es ist schmerzhaft, wenn man sich darüber klar wird, dass man anders ist als die Eltern. Denn die Beziehung zu den eigenen Eltern ist eine ganz besondere. Wir entscheiden uns nicht für sie, sondern werden in sie hineingeboren. Diese Beziehung durch Kontaktabbruch zu beenden, kommt für die wenigsten infrage. Denn zum einen mögen viele erwachsene Kinder ihre Eltern vielleicht nicht mehr, aber lieben sie noch. Und zum anderen spüren sie: Die Bindung, die seit der Geburt besteht, werden sie auch mit einem Beziehungsabbruch nicht los. Mithilfe von Fachleuten beleuchtet die Autorin die Hintergründe der familiären Entfremdung und zeigt Wege auf, wie gute Beziehungen auch unter »Fremden« in der Familie möglich sind.
Inhaltsverzeichnis
I EINLEITUNG
8 Wieso das Thema »Fremd in der eigenen Familie«?
Was charakterisiert die Beziehung erwachsener Kinder zu ihren
Eltern?
II POLITIK
24 In Timurs russlanddeutscher Familie sind Rassismus, Verschwörungsmythen und Esoterik verbreitet. Zu vielen Verwandten hat er den Kontakt abgebrochen - nicht aber zu den Eltern.
30 Marens Eltern wählen die AfD, der Vater macht Schießübungen im Garten. Den Kontakt hält sie vor allem wegen ihrer Kinder aufrecht.
36 Was sagen Fachleute zum Umgang mit rechtsextremen Eltern?
Jannis Panagiotidis vermutet Gemeinsamkeiten zwischen Ost- und Russlanddeutschen, Roland Imhoff rät bestimmte Themen auszusparen und Liane Czeremin, sich der Perspektive der Eltern anzunähern.
45 Sein Vater hat kein Verständnis für Davids Sorgen wegen des Klimawandels, fährt weiter viel Auto und fliegt um die Welt.
Das sorgt zunehmend für grundsätzliche Konflikte.
50 Deboras Eltern sind Alt-68er und haben sie als Kind vernachlässigt. Weil sie ihre Selbstgerechtigkeit nicht mehr ertragen konnte, hat sie den Kontakt zu ihnen abgebrochen.
58 Was sagen Fachleute zur Beziehung von Kindern und altlinken Eltern? Meike Baader kritisiert, dass den Kindern von 68ern viel zugemutet wurde und Lea Dohm rät, in Debatten um den Klimawandel erst mal zuzuhören.
III MIGRATION
68 Amilas Mutter akzeptiert den deutschen Partner ihrer Tochter nicht. Sie fühlt sich bosniakisch, Amila fühlt sich eher deutsch - und liebt ihre Mutter trotzdem.
14 Mit Cans Coming-out kamen seine Eltern nur schlecht zurecht, sie sind danach in die Türkei zurückgekehrt. Er sieht sie nur noch selten.
80 Aynurs Eltern wollen ein Enkelkind, das mit muslimischen Traditionen aufwächst. Ay nur will kein Kind, kann mit diesen Traditionen nichts anfangen - und distanziert sich immer mehr von den Eltern.
86 Was wissen Fachleute über Konflikte in Einwandereifamilien?
Isabelle Albert ist bewusst, wie schwer es Kinder von Migranten dabei haben, ihren Eltern Grenzen zu setzen und Diele Özerden hält ein Coming-out im kleinen Familienkreis manchmal für sinnvoll.
IV BILDUNG
96 Barans Vater, ein Taxifahrer aus dem Iran, wollte immer, dass es sein Sohn einmal besser hat als er- und hat ihn deshalb in der Schulzeit extrem unter Druck gesetzt. Das hat die Beziehung nachhaltig verschlechtert.
102 Lisa ist die erste Akademikerin der Familie. Ihr fällt es schwer zu ertragen, dass ihre Eltern billiges Fleisch und Plastikspielzeug für die Enkel kaufen. Trotzdem hat sie ein enges Verhältnis zu den beiden.
109 Was sagen Fachleute zur Beziehung von Bildungsaufsteigern und ihren Eltern? Aladin El-Mafaalani weiß, warum sich studierte Arbeiterkinder oft vom Herkunftsmilieu entfremden.
114 Peters Eltern sind Ärzte, er ist Sachbearbeiter beim Jobcenter.
Sein Bildungsabstieg trägt zur Entfremdung von den Eltern bei.
121 Was wissen Fachleute über Familiendynamiken bei Bildungsabstiegen? Martin Schmeiser kennt den Vorwurf von Arztkindern, zwar Patienten gut versorgt zu haben, jedoch nicht die eigenen Kinder.
V GLAUBEN
Abeba kann mit dem konservativen Islam ihrer Mutter nichts anfangen. Den Kontakt mit ihr hat sie auf das Nötigste reduziert.
Julias Eltern sind Freikirchler. Seit sie nicht mehr an Gott glaubt, ist der Umgang mit den beiden noch schwieriger als ohnehin.
Ferdinand ist Agnostikerin einer Pfarrersfamilie. Das Verhältnis zu seinen Eltern ist gut, aber distanziert - auch, weil er den Konflikt seit Jahrzehnten umschifft.
Was wissen Fachleute über religiöse Konflikte? Lars Allolio-Näcke ist überzeugt, dass sie immer auch Konflikte mit den Eltern sind und Sarah Pohl hat beobachtet, dass sich Kinder oft emotional erst von den Eltern und dann von deren Religion entfernen.
VI TRENNUNG
Felix hat seit der frühen Trennung seiner Eltern ein distanziertes Verhältnis zum Vater-und hat erst in einer Therapie erkannt, wie sehr er sich mehr Nähe wünscht.
Lauras Stiefvater akzeptierte sie nur so lange als Tochter, bis er eine eigene bekam. Heute hat sie keinen Kontakt mehr zu ihm und ihren Eltern.
Seit Tobias weiß, dass sein vermeintlicher Vater nicht sein Erzeuger ist, fühlt er sich ihm gegenüber nicht mehr ganz so fremd.
Was sagen Fachleute zu Scheidungs-, Stief- und Kuckuckskindern? Sabine Walper weiß, warum sich Kuckuckskinder oft von der Mutter entfremden und Matthias Franz, wie schädlich eine Trennung der Eltern für Kinder sein kann.
VII AUSBLICK
Was bleibt?
Dank
Literatur