Anhand von weitgehend unbekanntem Archiv- und Bildmaterial stellt Herrn den wissenschafts- und sozialgeschichtlichen Diskurs um die Transvestiten und Transsexuellen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts dar. Er beschreibt den Kampf der Transvestiten um juristische und gesellschaftliche Anerkennung, um ihre Abgrenzung gegenüber den Homosexuellen sowie ihre Selbstorganisation. Gleichzeitig versuchten bereits einige Transvestiten, die man heute als ›Transsexuelle‹ bezeichnen würde, ihre physische Erscheinung mit der empfundenen Geschlechtszugehörigkeit in Einklang zu bringen – sowohl im Selbstversuch als auch mit ärztlicher Hilfe. Die ab 1912 aufkommenden ersten Frau-zu-Mann- und ab 1920 auch Mann-zu-Frau-Umwandlungen dokumentiert Herrn ebenso wie die Entwicklung des Instituts für Sexualwissenschaft und das Wirken von Magnus Hirschfeld.
"Das Buch beeindruckt durch die Fülle des verarbeiteten Quellenmaterials, das in seinen wörtlichen Zitaten oft sehr bewegend ist. Die Abbildungen wirken nicht nur auf der Ebene der beschriebenen Phänomene, sondern geben zugleich Zeugnis von historischen Sichtweisen zu Geschlecht. Wer sich mit Genderfragen befasst (von welcher Disziplin auch immer ausgehend), sollte diese in sich interdisziplinäre Studie zu Rate ziehen und wird überrascht sein, wie oft manche Phänomene offenbar "neu entdeckt" werden müssen, bevor sie Eingang in öffentliche Diskurse finden." querelles-net.de
Rainer Herrn
Schnittmuster des
Geschlechts
Transvestitismus und Transsexualität
in der frühen Sexualwissenschaft
Mit einem Geleitwort von Volkmar Sigusch
Psychosozial -Verlag
Inhalt
Geleitwort von Volkmar Sigusch: Die Anfänge der Genochirurgie 7
Vorwort 19
Danksagung 23
1. Die Cross-Dresser in der Sexualpathologie 25
2. Die ungleichen Schwestern: Abspaltung
der Cross-Dresser 31
2.1 Die Cross-Dresser melden sich zu Wort 31
2.2 Das ambivalente Verhältnis Homosexueller zur Weiblichkeit 38
2.3 Die Wissenschaft als Forum 42
3. Hirschfelds Entwurf des Transvestitismus 53
3.1 Die Protagonisten 53
3.2 Das Phänomen 54
3.3 Die Körper 55
3.4 Die Sexualität 57
3.5 Die Frauen 61
3.6 Die Gegenprobe 64
3.7 Juristische Hürden 65
3.8 Der illustrierte Begleitband
"Der erotische Verkleidungstrieb" 69
4. Auswirkungen I 73
4.1 Die Rezeption von Hirschfelds Entwurf 73
4.1.1 In der Sexualwissenschaft 73
4.1.2 In der Psychoanalyse 75
4.2 Eine ungewöhnliche Zusammenarbeit: Transvestiten,
Ärzte und Behörden 79
4.3 Die Transvestiten im Ersten Weltkrieg 93
4.4 Homosexuelle Transvestiten 100
4.5 Der "problematische" Körper 103
4.6 Hormonwirkungen 105
5. Die Transvestiten im Institut für Sexualwissenschaft 111
5.1 Entwicklungsliniendes Instituts 111
5.2 Die Erforschung der Transvestitinnen. Zweiter Versuch 116
5.3 Die Transvestitenberatung 120
5.4 Liberalisierungen: Juristische und kriminalistische
Regelungen der Weimarer Zeit 126
Die behördliche Anerkennung der Transvestiten 134
5.5 Die Welt der Transvestiten 142
j 5.6 Der Zusammenschluss 144
5.7 Exkurs: Transvestiten in der NS-Zeit 157
Widersprüchliche Praktiken 161
6. Der lange Weg zum "anderen" Geschlecht - operative
Geschlechtsumwandlungen 167
6.1 Der "planlose" Beginn 167
6.2 Ein gefährliches Zwischenspiel - Transvestiten
als Selbst-Operateure 175
6.3 Der Wunsch nach Geschlechtsumwandlung
bei "extremen" Transvestiten 184
6.4 Techniken der Geschlechtsumwandlung 185
6.4.1 Der Bart 185
Exkurs: Juristisches Nachspiel, ein Patient prozessiert 187
6.4.2 Die Brust 191
Paraffininjektionen 191
Hormontherapie 193
6.4.3 Das Genitale 195
6.5 Geschlechtsumwandlungen im Institut für Sexualwissenschaft 196
6.5.1 Kompetenzen, Möglichkeiten und Grenzen 196
Irrtümlich als Geschlechtsumwandlung bezeichnete Fälle 200
6.5.2 Die operative Geschlechtsumwandlung wird Routine 201
Die rechtliche Absicherung 211
Unklare Folgen 216
7. Auswirkungen II: Die undankbaren Erben 219
8. Literaturverzeichnis 221
9. Abbildungsverzeichnis 239