Die jüdischen Friedhöfe in Wien zählen zu den letzten noch erhaltenen kulturtopographischen Zeugnissen der bedeutenden, über achthundertjährigen jüdischen Geschichte und Gegenwart der Stadt. Diese urbanen Räume sind materielle Archive der jüdischen Geschichte, die über 100.000 erhaltenen Grabmäler einzigartige Artefakte jüdischen Lebens in der Stadt darstellen. Mit ihren Inschriften konstituieren sie historische Quellen von enormen Wert. Ihr wechselhafter Stellenwert in gesellschaftspolitischen Diskursen und ihre zeitweise Zerstörungen vermitteln stets einen Einblick in zeitgenössische Verständnisse von Kultur, Gemeinschaft und Zugehörigkeit in der Stadt Wien und zu den verschiedenen, sich wandelnden Konzepten von Österreich über die Jahrhunderte. Zum ersten Mal präsentiert Tim Corbett eine umfassende Analyse des Werdegangs der Wiener jüdischen Sepulkralkultur vom Mittelalter bis zum heutigen Tag, die zugleich ein neues Licht auf die jüdische Geschichte der Stadt wirft. (Verlagstext)
Inhaltsverzeichnis:
InhaltVorwort..................................................................................................... 13
1. Jüdische Räume, jüdische Kulturen. Eine Einführung
in die Verortung und Bedeutung der jüdischen
Friedhöfe in der Geschichtsschreibung.......................................... 15
1.1 Der Tod, die Leiche und die Grabstätte.
Anthropologische und kulturhistorische
Überlegungen zur Bedeutung des Friedhofs.............................. 24
1.2 Kultur, Identifikation und Zugehörigkeit. Zu einigen
Grundkonzepten der jüdischen Geschichtsschreibung............. 30
1.3 Gemeinschaft und Gemeinde, Judentum und
Judenheit. Derjüdische Friedhof als einzigartiger
Gemeinschaftsraum..................................................................... 40
1.4 Zur Auslegung und Struktur des vorliegenden Werks.............. 47
2. Das ¿steinerne Archiv". Zu den Ursprüngen des
jüdischen Friedhofs und seiner Dokumentation........................... 59
2.1 Ursprünge und Auslegung des jüdischen Friedhofs.................. 72
2.2 Praxis rund um Trauer, Bestattung und Gedenken in
der jüdischen Geschichte............................................................ 86
2.3 Ursprünge und Funktion der Chewra Kadisha........................... 101
2.4 Ursprünge und Auslegung des jüdischen Grabsteins.................. 105
2.5 Zur Sprache der Wiener Judenheiten........................................... 111
2.6 Zur Deutung der Sepulkralepigraphik.........................................118
2.7 Zur Dokumentation der Wiener jüdischen Friedhöfe............... 132
3. Gemeinwesen trotz Wandel und Brüchigkeit. Der
Friedhof in der Seegasse vom Mittelalter bis zur
Epoche der Reform.............................................................................141
3.1 Brüchiger Wandel. Die Wiener Judenheiten in der
vormodernen Zeit..........................................................................146
3.2 Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des
Friedhofs in der Seegasse bis 1783.............................................. 156
3.3 Grabsteine, Sepulkralepigraphik und Symbolik im
Friedhofin der Seegasse............................................................... 163
3.4 Zum Vergleich: Die Grabsteine des Stephansfreithofs
beim Stephansdom....................................................................... 187
3.5 Schlussbemerkungen..................................................................... 190
4. ¿Toleranz¿ und Etablierung der Gemeinde. Der
Friedhof in Währing von der Epoche der Reform bis zur
liberalen Ära....................................................................................... 193
4.1 Von der Toleranz zur Emanzipation. Die langwierige
Etablierung der Israelitischen Kultusgemeinde Wien................. 199
4.2 Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des
Währinger Friedhofs bis 1879.......................................................214
4.3 Grabsteine, Sepulkralepigraphik und Symbolik im
Währinger Friedhof...................................................................... 219
4.4 Zum Vergleich: Der St. Marxer Kommunalfriedhof..................250
4.5 Schlussbemerkungen..................................................................... 253
5. Emanzipation und einheitliche Vielfalt. Der
Zentralfriedhof Tor I von der liberalen Ära bis zum Zerfall.............257
5.1 Von der Emanzipation zum Zerfall. Wiener
Mikrokosmen habsburgischerJudenheiten................................. 267
5.2 Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des
Friedhofs beim I. Tor bis 1917......................................................290
5.3 Grabsteine, Sepulkralepigraphik und Symbolik im
Friedhofbeim I. Tor...................................................................... 307
5.4 Zum Vergleich: Der Döblinger Friedhof...................................... 349
5.5 Zwischenepochal: Die Soldatengräber beim I.Tor,
Gruppe 76B....................................................................................352
5.6 Schlussbemerkungen..................................................................... 359
6. Demokratie und zerstrittene Vielfalt. Der
Zentralfriedhof Tor IV vom Ersten Weltkrieg bis zum
¿Anschluß¿......................................................................................... 361
6.1 Demokratisierung, ¿Orthodoxisierung¿ und
gegenseitige Ausgrenzung. Die Kultusgemeinde
zwischen Republik und Nationalsozialismus............................... 366
6.2 Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des
Friedhofs beim IV. Tor bis 1938................................................... 387
6.3 Grabsteine, Sepulkralepigraphik und Symbolik im
Friedhofbeim IV. Tor....................................................................412
6.4 Die weitere Belegung des Friedhofs beim I. Tor und
die Schaffung des jüdischen Kriegerdenkmals in der
Zwischenkriegszeit.........................................................................438
6.5 Schlussbemerkungen..................................................................... 453
7. Werten, bewahren, vernichten. Parallelitäten und
Paradoxien im wissenschaftlichen und
stadttopographischen Umgang mit den Wiener
jüdischen Friedhöfen vom 19. Jahrhundert bis in die Shoah........457
7.1 Denkmalschutz und Urbizid. Das komplexe
Zusammenspiel von Bewahrung und Vernichtung
jüdischen Kulturguts im 19. und 20. Jahrhundert...................... 465
7.2 Rezeption und Stellenwert der Wiener jüdischen
Friedhöfe in der wissenschaftlichen und
stadttopographischen Literatur vor der Shoah............................ 479
7.3 Bestrebungen zur Bewahrung bzw. Vernichtung der
Wiener jüdischen Friedhöfe vor der Shoah................................. 506
7.4 Vom ¿Anschluß¿ zur ¿Arisierung¿. Die
Konsolidierung der NS-Politik gegenüberjüdischen
Friedhöfen ab März 1938..............................................................523
7.5 Das Schicksal des Friedhofs in der Seegasse während
der Shoah.......................................................................................539
7.6 Das Schicksal des Friedhofs in Währing während der Shoah.... 559
7.7 Das Schicksal der jüdischen Abteilungen des
Zentralfriedhofs während der Shoah...........................................575
7.8 Schlussbemerkungen.....................................................................580
8. Haus des Todes, Haus des Lebens. Zwang und
(Über-)Leben am ZentralfriedhofTor IV während der Shoah........585
8.1 Betrieb und Benützung der jüdischen Abteilungen
am Zentralfriedhofwährend der Shoah.....................................592
8.2 Die Bestattung von Ascheurnen und
¿Nichtglaubensjuden¿ beim IV. Tor............................................. 617
8.3 Leben, Liebe und Tod am ¿Grabeland¿ beim IV. Tor..................633
8.4 Derjüdische Friedhofin belletristischen
Auseinandersetzungen mit der Shoah..........................................656
8.5 Die Bestattung von verstorbenen
jüdisch-ungarischen Zwangsarbeiterinnen beim IV. Tor............663
8.6 Schlussbemerkungen.....................................................................667
9. Eine neue Gemeinde? Gemeinschaftliche
Erinnerungskonstruktionen am Zentralfriedhof Tor IV
nach der Shoah..................................................................................671
9.1 ¿Orthodoxisierung¿ und ¿Zionisierung¿. Die
Neuetablierung und Neuorientierung der
Kultusgemeinde nach 1945........................................................... 678
9.2 Von Amalek, Märtyrertum und Israel. Die
Konstruktion einer Kollektiverinnerung an die
Shoah beim IV. Tor........................................................................703
9.3 ¿Ein Denkmal und ein Name¿. Die ¿gesammelten
Erinnerungen¿ an die Shoah beim IV. Tor....................................734
9.4 Zwischen Friedhofsamt, Rabbinat und Gerichtshof.
Die umstrittene Orthodoxisierung der Wiener
jüdischen Sepulkralpraxis unter Ernst Feldsberg........................ 753
9.5 Grabsteine, Sepulkralepigraphik und Symbolik im
Friedhofbeim IV. Tor nach 1945.................................................. 778
9.6 Die Bezugnahme der im Ausland überlebenden
Nachkommen zu den Wienerjüdischen Friedhöfen
nach 1945......................................................................................812
9.7 Schlussbemerkungen.................................................................... 821
10. ... und immer schon eine Wiener G¿schicht. Die
jüdischen Friedhöfe als Schauplätze konkurrierender
Erinnerungskulturen in der Zweiten Republik..........................823
10.1 Zwischen Scham und Schuld. Der Umgang mit der
nationalsozialistischen Vergangenheit und dem
jüdischen Erbe in Österreich nach 1945...................................... 832
10.2 Der Kampfum Anerkennung, Restitution und
Instandsetzung in den ersten zehn Jahren nach Kriegsende.....846
10.3 Grabschändungen als stellvertretende antisemitische
Gewalt in der Zweiten Republik................................................... 875
10.4 Die innerjüdischen Konflikte rund um die
fortdauernde Verwahrlosung der Friedhöfe nach
dem Vergleich von 1955................................................................ 883
10.5 Der Friedhofin der Seegasse als Präzedenzfall für
umfassende Instandsetzungsarbeiten..........................................904
10.6 Die Wende im Umgang mit dem jüdischen Erbe
Österreichs infolge der Waldheim-Affäre...................................916
10.7 Der Währinger Friedhof als Kristallisationspunkt der
österreichischen Vergangenheitsbewältigung im
21. Jahrhundert............................................................................. 947
10.8 Ausblick anstelle eines Schlussworts - Die Zukunft
der jüdischen Friedhöfe in Wien.................................................. 968
Nachwort....................................................................................................979
Abbildungsverzeichnis..............................................................................985
Quellenverzeichnis................................................................................ 987
Personenregister....................................................................................1025