Kein Krieg wurde sexualwissenschaftlich so intensiv erforscht wie der »Große Krieg« von 1914 bis 1918. Er fiel in eine Phase, als die »Entdeckung« des Unbewussten und die Begründung der Sexualwissenschaft als interdisziplinäres Fach erst wenige Jahre zurücklagen. Richard Kühl untersucht, wie die neuen Expert*innen im Kriegsraum ein regelrechtes Laboratorium der Triebe vorfanden und sich noch bis in die 1920er Jahre hinein mit den sozialen und kulturellen Kriegsfolgen kontrovers auseinandersetzten. Seine Analysen reichen bis in die Zeit um 1930, in der Sexolog*innen wie Magnus Hirschfeld in der »umkämpften Erinnerung« an die Materialschlachten auf eine Weise mitmischten, die das gesamte politische Spektrum beschäftigte.
Inhalt
1 Einleitung.......................................................................................................... 7
1.1 Thematische Einführung......................................................................................... 9
1.2 Forschungsstand und Fragestellung......................................................................... 12
1.3 Methodische und theoretische Fragen, Quellen und Gliederung............................ 19
2 »Sexualwissenschaft kennt keine Grenzen«
Sexualforschung und wilhelminische Gesellschaft...................................................... 31
2.1 Im Strombett. Sexualwissenschaft und »sexuelle Frage« um 1900 ..................... 34
2.2 Nach dem »Eulenburg-Skandal« - Sexualforschung und wilhelminische Moral.................. 53
2.3 Partizipation, Ausschluss und »kompakte Majorität« - die Gründergeneration
als Generation.................................................................................................... 64
2.4 Krieg und Militär als sexualwissenschaftliche Themen bis 1914.......................... 73
3 Das Fach im Weltkrieg........................................................................................ 87
3.1 Gegen eine Welt von perversen Feinden.
Sexualwissenschaft in der mobilisierten Kriegsgesellschaft......................................... 89
3.2 Empirische Forschung: Methoden sexologischer Informationsbeschaffung im Krieg.......... 104
3.3 Die Stunde der zweiten Reihe: Sexualforschung im Frontraum....................... 112
3.4 »Notzucht« und die »Paroxysmen von Zerstörungswut«:
Sexualisierte Kriegsgewalt und sexuelle Delinquenz..................................................138
3.5 »... unter Hindenburgs siegreichen Fahnen«. Homosexualität und Armee
in den Dokumentationen des Wissenschaftlich-humanitären Komitees............. 149
3.6 Auf der Suche nach dem »Zentralsitz« des Sexualtriebs: Kriegsversehrung
und der Aufstieg der Sexualendokrinologie.............................................................. 161
4 Nachkrieg: Kriegsfolgen und Sexualforschung.....................................................177
4.1 Alptraumland Waffenstillstandszeit.
Bestandsaufnahmen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit ....................................... 178
4.2 Magnus Hirschfeld im Prisma 1919-1923................................................................... 194
5 »Erotische Revolution«. Sexuelle Emanzipation und (Anti-)Militarismus
Anfänge der soldatischen Politisierung
der Sexualgeschichte des Krieges nach dem Krieg.................................................... 227
5.1 Aufbrüche und Enttäuschungen:
Wie militant war die »homosexuelle Bewegung« der Nachkriegszeit?............... 229
5.2 »Verheerungen der Kriegserotik«. Antimilitaristsche Publizistik in der frühen
Nachkriegszeit................................................................................................. 233
6 Die Fachdisziplin in einer gewandelten Gesellschaft ............................................. 241
6.1 Die Spuren des Krieges in den Entwicklungslinien des Faches in den zwanziger Jahren... 242
6.2 Außenwahrnehmung und Einfluss des Instituts für Sexualwissenschaft Ende
der zwanziger Jahre........................................................................................... 247
7 Sexualwissenschaft und Kriegserinnerung.......................................................... 259
7.1 Konkurrenz der Großnarrative................................................................................ 262
7.2 Zwischen Kommentar und Protektion: Sexualforschung und die »Kriegsliteratur«.......... 268
8 Die »Sittengeschichte des Weltkrieges«
Anatomie des Klassikers......................................................................................301
8.1 Entstehungshintergründe und Kampagne ............................................................... 303
8.2 Hirschfelds Resonanzräume................................................................................. 347
9 Die Zukunft der »Sexualkatastrophe« des Weltkriegs
und das Ende der Weimarer Sexualwissenschaft................................................. 375
9.1 Hirschfeld und Remarque ....................................................................................376
9.2 Völkische Gegennarrative ................................................................................... 383
9.3 Palimpseste...................................................................................................... 387
10 Resümee und Ausblick....................................................................................... 401
Dank...................................................................................................................... 417
Anhang................................................................................................................... 421
Abbildungen...................................................................................................... 421
Rezeptionszeugnisse »Sittengeschichte des Weltkrieges« (1929-1933)............. 431
Abbildungsverzeichnis........................................................................................ 437
Abkürzungsverzeichnis...................................................................................... 438
Quellen- und Literaturverzeichnis......................................................................... 440
Personenregister....................................................................................................503