Im Jahr 1990 trug die »offene Gesellschaft« in Europa mit dem Fall des Ostblocks einen grandiosen Sieg davon. Die von dem Philosophen Karl R. Popper ersonnene Gesellschaftsvision schien nun überall Wirklichkeit zu werden. Ihre Vorzüge waren angesichts der Erfahrungen mit Diktatur und wirtschaftlichem Niedergang offenkundig und wegweisend. Heute, nur 30 Jahre später, hat die liberale, demokratische, marktbasierte Gesellschaft viel von ihrem Glanz und ihrer Anziehungskraft verloren, ihre Institutionen wirken ausgehöhlt, überall bekommen autoritäre Strömungen Zulauf.
Wolfgang Engler rekonstruiert mit dem Werkzeug Poppers, durch welche gesellschaftlichen Gegebenheiten und welche historischen Entwicklungen Poppers Modell in die Krise geriet. Die Umbrüche in Ost und Mitteleuropa von 1989/90 vertagten diesen Perspektivenwechsel. Man feierte die neu gewonnenen Freiheiten und verschwieg wortreich deren Grenzen. Das bedeutete eine Verkennung der realen Machtverhältnisse sowie der Probleme und Unzulänglichkeiten offener Gesellschaften ¿ die sich wie in der Corona Pandemie immer öfter schließen. Diese Denkblockaden gilt es analytisch aufzulösen - mit Karl R. Popper, gegen Popper, über Popper hinaus.
INHALT
1989: Beredtes Schweigen 7
Die offene, die geschlossene und die
abstrakte Gesellschaft 18
Die offene Gesellschaft: Eigentum und Markt
und Freiheit - und ein Maisfeld 29
Die offene Gesellschaft als Risikogesellschaft
par excellence 39
Die Macht der Verhältnisse und die Öffnung
nach unten 44
Individualismus vs. Solidarismus 50
Abschied von gestern 64
Eine Frage der Präferenzen 74
Die Büchse der Pandora 81
Monetärer Panoptismus 89
Wer nicht arbeitet, soll auch nicht tanzen 94
Kollektiver Individualismus: Abschied
von der Arbeiterklasse? 99
Die ominöse Mitte der Gesellschaft 106
Die Grenzen der offenen Gesellschaft 111
Schubumkehr: unten offen, oben zu 115
Exit: Die Mobilen und die Sesshaften 127
Die Öffnung nach innen und das Ringen
um kulturelle Hegemonie 134
Individualisiert Euch! Alle! 151
Unklare Allianzen 161
Die Öffnung nach vorn 171
30 Jahre danach 179
Postscriptum: Lockdown. Die offene Gesellschaft
geht viral 194
Anmerkungen 195