Melvin Jonah Lasky (* 15. Januar 1920 in New York; ¿ 19. Mai 2004 in Berlin) war ein US-amerikanischer Publizist der antistalinistischen Linken. Bekannt wurde er in Deutschland vor allem als Herausgeber der antikommunistischen Zeitschrift Der Monat. Er betrieb zuhause eine Art literarischen Salon mit Gästen wie Alfred Jules Ayer, Isaiah Berlin, Arthur Koestler und George Mikes. --- „Mein Thema hieß „Utopie und Revolution“. Ich habe mich in verschiedenen Lebensphasen mit so mancher der großen geistigen Strömungen identifiziert, die im Folgenden eine so entscheidende Rolle spielen. Auch habe ich mir oft – und tue es vielleicht immer noch – einen Pfad gesucht zwischen Utopien und revolutionären Hoffnungen, Orthodoxien und Häresien.
Amerikanischen Neokonservativer
Auslöser für das Buch war unter anderem die Renaissance linksrevolutionärer Ideen um 1975, bei Studenten in Berkeley und Paris, in Frankfurt am Main und Westberlin. Laskys teils skeptisches, teils sentimentales Interesse für jenes Geschehen, er deutet es an, rührte daher, dass er, als junger Mann, seinerseits trotzkistischen Ideen angehangen hatte. Dies übrigens gemeinsam mit Irving Kristol, der später zum Ahnherrn jener amerikanischen Neokonservativen wurde, die maßgeblich die aggressive Außenpolitik von US-Präsident Georg W. Bush beeinflussten.
Lasky starb 2004
Von Lasky – er starb 2004 – ist dergleichen nicht bekannt. Er blieb bei seinen früheren Idealen und Ideen näher als Kristol und dessen Schüler. Laskys Untersuchung des Marxismus-Leninismus hat auch nichts von der ätzenden Gehässigkeit anderer Konvertiten. Bei aller grundsätzlichen Kritik bleibt er maßvoll, gelassen, genau.
Dies macht die Qualität seines Buchs. Es untersucht die Motive, die Dimensionen, den Gehalt, das Schicksal von Utopie und Revolution wie auch die Beziehungen zwischen beiden. Sie sind nicht zwangsläufig. Gesellschaftliche Utopien haben nicht durchweg zu Revolutionen geführt, so wie nicht sämtliche Revolutionen von einer Utopie angestoßen wurden. Gemeinsam ist beiden, dass sie kollektive oder gesamtgesellschaftliche Ziele verfolgen, was die Revolution von Revolte Aufstand und Rebellion unterscheidet – ebenso wie die Utopie von der Träumerei.
Utopien eingebettet in christliche Vorstellungen
Lasky geht weit zurück in die Geistesgeschichte. Ansätze findet er bei Plato. Bis zur Renaissance bleiben Utopien, jedenfalls für Europa, eingebettet in christliche Vorstellungen. Lasky macht erstaunliche Trouvaillen, etwa in der Lehre des hochmittelalterlichen italienischen Zisterziensers Joachim von Fiore, bei dem er die Dramaturgie einer wirkungsmächtigen Utopie findet. Sie reicht von der Feststellung unerträglicher Zustände über Widerstand und Sammlung von Gleichgesinnten bis zur Verkündung eines chiliastischen Heils.
Verstärkt treten Utopien auf im Zeitalter von Renaissance und kirchlicher Reformation. Die Schrift des Briten Thomas More stiftet den entscheidenden Begriff: Utopia. Die Spurensuche endet vorerst bei Karl Marx, dessen Gefährte Friedrich Engels einen berühmten Text verfasste: „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“. Er behauptet, der revolutionäre Sozialismus sei nicht länger eine messianische Verheißung, sondern Resultat einer mit naturgesetzlicher Konsequenz sich vollziehenden Gesellschaftsentwicklung. Dass dem so nicht ist, wissen wir nicht erst heute. Selbst engagierte Marxisten nach Engels, wie Ernst Bloch oder Herbert Marcuse, hielten am positiven Begriff des Utopischen fest.
Philosophen und Verkünder beschäftigen Lasky auch wegen ihres Handwerks. Der Rhetorik, den Metaphern von Utopisten und Revolutionären lässt er breiten Raum, was den Ursprung und die Wandlungen des Begriffs Revolution einschließt. Die Wortbedeutung war zunächst: Rückkehr, Umkehr; hier wird noch etwas von der religiösem Herkunft sichtbar, da der Anspruch vieler Heilslehren war, die christlichen Anfänge wieder herzustellen.
Als Revolutionsmodelle dienen Lasky die glorius revolution der Engländer und die Ereignisse in Frankreich nach dem Bastillesturm. Deutschland kommt nicht vor, Russland vergleichsweise wenig; die Oktoberereignisse von 1917 waren, was Lasky nicht sagt, was man aber weiß, keine Revolution, sondern der Putsch einer linken Sekte.
„Jeder Revolutionär endet schließlich als Tyrann oder Ketzer.“
Das Urteil stammt von Albert Camus. Lasky zitiert es mehrfach. Nicht bloß die marxistisch-leninistischen Bewegungen bestätigen dessen Richtigkeit, auch jüngere Ereignisse in Afrika und jüngste im arabischen Raum. Wird damit nicht zugleich der gesellschaftliche Nutzen jeglicher Revolution bestritten? So weit mag Lasky, der Ex-Trotzkist, dann doch nicht gehen. Zwar neigt er jetzt eher dem Reformismus Eduard Bernstein zu als etwa der Revolutionärin Rosa Luxemburg, doch -
„Aller Wandel vollzieht sich schrittweise. Noch die revolutionärsten Taten sind nur Teil eines größeren historischen Entwicklungsprozesses. (...) Deshalb sind Reformen keine Alternative zu Revolutionen. Und Revolutionen sind keine Alternative zu Reformen; sogar der tiefstgehende und heftigste Umsturz ist doch nur ein Element innerhalb des langsamen sozialen Wandungs- und Veränderungsprozesses.“
Zu solcher Geschichtsauffassung könnten sich mittlerweile sogar Mitglieder der bundesdeutschen Linkspartei bekennen. Den Namen Lasky freilich würden sie wohl verschweigen.
Verfasser*innenangabe:
Melvin J. Lasky
Jahr:
1989
Verlag:
Reinbek, Rowohlt
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ISBN:
3-498-03853-2
Beschreibung:
691 S.
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Mediengruppe:
Buch