Der Buchdruck veränderte die Welt, doch es bedurfte einer zweiten Generation von «Printing Natives», die mit Ablassbriefen, Thesen, Diffamierungen und Sensationsmeldungen als Massenware einen tiefgreifenden Kulturwandel entfesselte. Der renommierte Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann zeigt in seinem anschaulichen, Augen öffnen den Buch, warum wir die «Generation Luther» besser verstehen, wenn wir die heutigen «Digital Natives» betrachten – und umgekehrt.
Die ersten Autos waren motorisierte Kutschen, der Computer diente als Schreibmaschine, und gedruckte Bücher setzten die handgeschriebenen fort: Innovationen werden zunächst in den gewohnten Bahnen genutzt, bevor eine zweite Generation die neuen Möglichkeiten ausschöpft. Thomas Kaufmann beschreibt, wie um 1500 eine junge Generation die Drucktechnik nutzte, um gegen die «Türkengefahr» zu mobilisieren, Ablassbriefe zu vertreiben und für eine «Reformation» der Kirche zu kämpfen. Drucker wie Aldus Manutius, Graphiker wie Albrecht Dürer, Humanisten wie Erasmus von Rotterdam und Johannes Reuchlin oder Theologen wie Martin Luther und Ulrich Zwingli vermarkteten sich auf Flugschriften und in Traktaten selbst und machten Druck: Gegner wurden in wachsenden Echoräumen diffamiert, Ereignisse zu Sensationen gemacht, um eine sich zerstreuende Aufmerksamkeit zu fesseln. Die Reformation war, wie Thomas Kaufmann zeigt, nur ein Teil dieses viel breiteren kulturellen Umbruchs. Schließlich veränderte die neue Technik die Art des Forschens und mit Enzyklopädien oder druckgraphischen Werken die Weise, wie Menschen die Welt wahrnehmen.
Inhalt
Einleitung: Digital Natives und Printing Natives 7
1. Die erste Medienrevolution 13
Von Lettern, Setzkästen, Druckpressen
und Schrifttypen.................................................................. 13
Großprojekte, Einblattdrucke, hohe Auflagen ................. 20
Zeitungen, Sensationsmeldungen, Fake News................. 28
Ein expansives Gewerbe .................................................... 31
Begeisterung und Skepsis, Zensur und nationaler Stolz . . 35
Der Buchdruck in der protestantischen
Erinnerungskultur.............................................................. 42
2. «Männer des Buches» 49
Johannes Reuchlins kostspieliges Projekt ........................ 50
Erasmus von Rotterdam und seinBestseller.................... 58
Das Buch als Objekt der Begierde...................................... 67
Selbstvermarktung und der Schutz von Urheberschaft . . 76
Der «Judenbücherstreit» als Medienereignis..................... 85
3. Publizistische Explosionen 99
Die Lawine rollt: Der Streit um den Ablass........................ 101
Luthers Publizistik unter Druck.......................................... in
Wittenberg gegen Ingolstadt: Luther und Karlstadt
gegen Eck............................................................................ 117
Nichts mehr zu verlieren: Luthers
Veröffentlichungen 1520.................................................... 124
Die Verbrennung der päpstlichen Bulle
und Luthers Auftritt in Worms.......................................... 139
Lagerbildung in der reformatorischen Bewegung .... 151
Neben Luther: Zwingli und Oekolampad........................ 161
Echokammern der radikalen Milieus:
Hätzer und Müntzer........................................................... 172
Laien verfassen Flugschriften............................................. 184
Der Bauernkrieg und seine Publizistik ............................ 190
Neue Konkurrenz auf dem Buchmarkt............................ 198
Allzweckwaffe: Illustrierte Einblattdrucke........................ 201
Gedruckt bis in den Tod: Luthers multimediales Sterben . 209
4. Eine veränderte Welt 215
Selbststudium und Lehrbetrieb.......................................... 217
Speicherplatz: Bibliotheken, Kompendien,
Enzyklopädien..................................................................... 222
Suchmaschinen: Indizes, kritische Apparate, Editionen . . 229
Neue Bibeln für alle........................................................... 232
Kirchenlieder und Gesangbücher...................................... 237
Der Katechismus als Grundausbildung............................... 241
Die Grenzen der Zensur.................................................... 244
Quergedachtes, Utopisches und Subversives..................... 245
Epilog: Unter Druck 257
Anhang
Zitierweise und Abkürzungen............................................. 263
Anmerkungen................................................ 267
Quellen und Literatur....................................................... 319
Nachweis der Bildzitate....................................................... 337
Personenregister.................................................................. 341
Ortsregister......................................................................... 347