Die vorliegende "Gesamtübersicht" der "Geologie von Österreich" ist gedacht als einemoderne Grundlage für Forschung und Lehre, wobei ihr konglomeratartiger Inhalt abseits der "regionalen" Geologie gelegene Sparten der Geowissenschaften darstellen möchte. Dementsprechend ist das Werk bereits von seiner Diktion her anders als die bisherigen Bände.
Auf weite Strecken ist es eine Aufzählung, sind es Hinweise, Stichworte, Literaturzitate,unterbrochen von kurzen Absätzen, die der Autor für besonders wichtig hielt, wie etwa die Beschreibung des Kreide/Tertiär-Event. TOLLMANN, von dem man gewohnt ist, daß er die Welt, mit der er sich mit Geist und Hammer auseinandersetzt, so darstellt, wie er sie sieht, bringt dementsprechend in zahlreichen Kapiteln eine Art Literaturreferat, aufbauend auf einem Schriftenverzeichnis, das mit über 5000 geschätzten Titeln (für Band 2 und 3) den gewohnten Rahmen bei weitem sprengt. Dort jedoch, wo TOLLMANN Stellung bezieht, stoßen wir auf die Darstellungsart, die wir gewohnt sind: Wenn er von den Leistungen der "Wiener Schule" spricht - wobei die Auszeichnung, dieser anzugehören, nicht jeder erhält, der in Wien studierte - wenn er sich auseinandersetzt mit den seiner Ansicht entgegenstehenden "Erkenntnissen"anderer, wenn er auf Umweltfragen aus der Sicht des engagierten Geowissenschaftlers eingeht, wird der Text plötzlich lebendig und der Leser hat das Vergnügen, sich nun endlich mit den Ideen von TOLLMANN selbst auseinandersetzen zu können. Sicher kann man dabei - Beckmesser nachahmend - manchen Flüchtigkeitsfehler, auf den man stößt, ankreiden, man kann sich aber auch mit grundlegenden Fragen, etwa der Beziehung der Alpen und den Karpaten oder dem variszischen "Südstamm", um nur zwei Dinge zu nennen, auseinandersetzen.Ein gravierender, vermutlich nicht einmal dem Autor anzulastender Fehler des, wie stetsreich mit Bildern, Tabellen und Karten ausgestalteten Buches ist, daß ein Sachverzeichnis fehlt. Dies mag bei den bisherigen Bänden verständlich sein, ist jedoch bei einem Buch, welches sich mit Fragen beschäftigt, die vom Säbelwuchs der Bäume, den Tonnen Glas, die in Österreich pro Jahr auf dem Müll landen, die österreichische Tunnelbauweise, den Nitratgehalt des Grundwassers, die Rückständigkeit der Grazer Schule, die Pflanzenarten, die auf Magnesit und die, die auf den Salzsteppen des Seewinkels wachsen, bis hin zu Frage, warum Marzellinus Carnuntum als "ungepflegt" bezeichnete, und hunderterlei mehr reichen, für denInteressierten ein großer Nachteil. Das Inhaltsverzeichnis der 21 Kapitel ist bei einer Suche nur von geringer Hilfe.
(Daß im Abschnitt über Geovinologie die Weine des Eisenberges, wachsend auf ozeanischer Kruste und damit tektovinologisch an der tiefsten Stelle der Ostalpen, nicht erwähnt wurden, wird man dem Autor, bei der Fülle anderer Daten, wohl verzeihen, auch wenn man diese Weine schätzt!)
Mit diesem Abschlußband der "Geologie von Österreich" liegt nun ein in vieler Hinsichteigenwilliges Mönumentalwerk vor, auf welches man wohl noch lange zurückgreifen wird müssen, gleichgültig, ob man sich zu den gläubigen und für jede zusammenfassende Darstellung dankbaren Studenten rechnet oder zu den kritischen Fachkollegen zählt, die sich schwerlich mit allem identifizieren, was ihnen in 3 Bänden mit über 2200 Seiten geboten wurde.