Ernst Bloch (Ernst Simon Bloch; * 8. Juli 1885 in Ludwigshafen am Rhein; † 4. August 1977 in Tübingen) war ein deutscher Philosoph. Bloch stellte sich in die Tradition der Schriften von Karl Marx und wird heute dem Neomarxismus zugeordnet. Ernst Bloch ist der Philosoph der "konkreten Utopien", der Tagträume, des Prinzips der Hoffnungen. Im Zentrum seines Denkens steht der über sich hinausdenkende Mensch. Das Bewusstsein des Menschen ist nicht nur das Produkt seines Seins, es ist vielmehr mit "Überschuss" ausgestattet. Dieser "Überschuss" findet seinen Ausdruck in den sozialen, ökonomischen und religiösen Utopien, in der bildenden Kunst, in der Musik und in den Tagträumen. - Als Marxist sieht Bloch im Sozialismus und Kommunismus die Instrumente, diesen "Überschuss" in die Tat umzusetzen. Untypisch für einen Marxisten ist seine starke Hinwendung zur Metaphysik. Im Zentrum seiner Überlegungen steht dabei das "Noch-Nicht-Gewordene", das für unser "Jetzt" kennzeichnend ist. Der Mensch, die Gesellschaft ist "noch nicht bei sich angekommen", weil wir noch Mangel fühlen. Alles Seiende umgibt jedoch ein "Bedeutungshof" seiner unrealisierten Möglichkeiten, der uns "auf den Weg bringen" kann, das "Noch-Nicht-Haben" in ein Haben, das "Noch-Nicht-Sein" in ein Sein und das "Noch-Nicht-Bewusste" in ein Bewusstes umzuwandeln. - Ernst Bloch ist nicht nur "der deutsche Philosoph der russischen Oktoberrevolution" (Oskar Negt), sondern entwickelte eine selbstbewusste Philosophie des "Tertium", also des Dritten, einer Lage zwischen Nicht-Mehr- und Noch-Nicht-Sein, die sozialwissenschaftlich-methodologisch bisher kaum aufgenommen worden ist; sie unterscheidet sich geschichtlich-methodisch von anderen Ansätzen marxistischer Philosophen auch dadurch, dass Bloch eine enge Beziehung zwischen sozialistischen und christlichen Gedanken sah. - Bedeutsam sind auch Ernst Blochs Konzeptionen der Ungleichzeitigkeit wie er sie in den 1930er und 1960er Jahren äußerte. In "Erbschaft dieser Zeit" (1934) erklärte er die Attraktivität des Nationalsozialismus durch ungleichzeitige Widersprüche im Kapitalismus, die zum gleichzeitigen Widerspruch zwischen Kapitaleigentümern und Lohnarbeitern "schief" hinzukämen. Durch die fehlenden Revolutionen in Deutschland seien bestimmte Schichten ("Kleinbauern", "Kleinproduzenten", "Kleinhändler" und Angestellte als kleinbürgerlicher Sonderfall) nicht nur rückständig ("unechte Ungleichzeitigkeit"), sondern in ihren anachronistischen Produktionsweisen ("echte Ungleichzeitigkeit") verflochten mit dem Kapital. Die marxistische Analyse dürfe daher nicht nur kalt den gleichzeitigen Widerspruch analysieren, sondern müsse auch den Wärmestrom unabgegoltener Kämpfe und Utopien berücksichtigen. In der "Tübinger Einleitung zur Philosophie" Anfang der 1960er Jahre bezog Bloch Ungleichzeitigkeit auf unterschiedlichen Fortschritt. Hier distanzierte er sich von der "reaktionären Kulturkreistheorie", da alle Kulturen denselben dialektischen Gesetzen in ihrer Entwicklung unterworfen seien und denselben Zielinhalt der Menschlichkeit (einendes "konkret-utopisches Humanum") in einem "Reich der Freiheit" verfolgten. Bloch spricht hier vom "Multiversum": "Der Fortschrittsbegriff duldet keine 'Kulturkreise', worin die Zeit reaktionär auf den Raum genagelt ist, aber er braucht statt der Einlinigkeit ein breites, elastisches, völlig dynamisches Multiversum, einen währenden und oft verschlungenen Kontrapunkt der historischen Stimmen." - Ernst Bloch hatte auf Grund seiner kenntnisreichen und originellen Ausführungen zu Themen der Religion, speziell des Judentums und Christentums sowie zum Atheismus großen Einfluss auf die Theologie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, beispielsweise auf Jürgen Moltmann und auf Dorothee Sölle. Das äußert sich beispielhaft an den korrespondierenden Titeln Das Prinzip Hoffnung von Ernst Bloch und Theologie der Hoffnung von Jürgen Moltmann sowie von Ernst Blochs Atheismus im Christentum und Dorothee Sölles Atheistisch an Gott glauben. - Besonders ausführlich breitet er seine Religionsphilosophie im dritten Band des Prinzips Hoffnung aus: "Die wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, das heißt sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfasst und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat". Später im Band Atheismus im Christentum heißt es: "Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein, gewiss aber auch: Nur ein Christ kann ein guter Atheist sein". - Bloch kritisiert am Christentum die überkommenen hierarchischen Strukturen, abgeleitet aus einem Gott, der "oben" ist und so an Marduk oder Ptah erinnert, die Götter der Babylonier und Ägypter, aber nicht an Jahwe, den Gott des Exodus, der zur Befreiung führt. - Am Atheismus beanstandet er die Leere, den "Hohlraum", der hinterlassen wird, wenn man die Religion entfernt. In diese Hohlräume treten nach Bloch neue, dunkle und dumpfe Inhalte. Als Beispiel nennt er die Zeit des Nationalsozialismus.
Verfasser*innenangabe:
Ernst Bloch
Verlag:
Frankfurt am Main, Suhrkamp
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PH.T
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3-518-09949-3
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In 19 Bdn
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Buch