Der letzte Band unserer dreibändigen Ausgabe der Arbeiten von Karl Polanyi enthält jene Schriften, in denen er sich mit grundlegenden gesellschaftstheoretischen Fragen auseinandersetzt. Im ersten Teil des Bandes veröffentlichen wir eine Reihe von in Wien verfassten Manuskripten aus den zwanziger Jahren, in denen Polanyi sein Verhältnis zu Marx und zum Marxismus seiner Epoche, zur Soziologie (Max Weber) und zum Liberalismus (Österreichische Schule der Nationalökonomie) herausarbeitet. Die Kritik der Entfremdung der Menschen (in der "wissenschaftlichen Weltanschauung" wie in der kapitalistischen Realität) bildet den Springpunkt. Weil mit der Idee der menschlichen Freiheit unvereinbar, wendet er sich vehement gegen jede Form des ökonomischen Determinismus. Im zweiten Teil wird sichtbar, warum - und in welcher Form - Polanyi für eine sozialistische Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft eintritt. Er entwickelt konzeptionelle Vorstellungen, wie das Verhältnis von Produzenten und Konsumenten übersichtlich gestaltet (Sozialistische Rechnungslegung) und der Markt bewusst einer demokratischen Gesellschaft untergeordnet werden könnte. Es folgen mehrere in England verfasste Aufsätzen und Manuskripte aus den dreißiger Jahren, in denen er sich mit den Grundlagen des Faschismus (Spann), dem Verhältnis von Marxismus und Faschismus, und schließlich der Beziehung von Marxismus und Christentum auseinandersetzt. Dabei wird nicht nur deutlich, welche Spuren die Niederlage des Sozialismus in Polanyis Denken hinterlässt, sondern auch, auf welche konzeptionellen Pfeiler sich sein bekanntestes Werk, The Great Transformation, stützt. Mehrere Aufsätze über Rousseau, die Möglichkeiten einer freien Gesellschaft und die Bedeutung der parlamentarischen Demokratie - während bzw. kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verfasst - schließen den Band. Ein großer Teil der Schriften wird hier zum ersten Mal veröffentlicht.
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/ AUS DEM INHALT: / / /
Michele Cangiani, Kari Polanyi-Levitt und Claus Thomasberger
Editorische Notiz 11
Vorbemerkung 13
Die Polarität: Menschliche Freiheit - marktwirtschaftliche
InstitutionenZu den Grundlagen von Karl Polanyis Denken 15
IIm ,roten Wien' der zwanziger Jahre:
Sozialistische Rechnungslegung, das Übersichtsproblem
und die Perspektive des positiven Sozialismus
1Der geistesgeschichtliche Hintergrund des
Moskauer Prozesses 66
2Sozialistische Rechnungslegung 71
3Neue Erwägungen zu unserer Theorie und Praxis 114
4Zur Sozialisierungsfrage 126
5Uber die Freiheit 137
IISittliche Erkenntnis und Wissenschaft:
Zur Kritik der ,wissenschaftlichen Weltanschauung'
6Wissenschaft und Sittlichkeit 172
7Sein und Denken 200
8Die Wissenschaft von der Zukunft 208
IIIVon Wien nach England: Faschismus, Marx und die
christlichen Wurzeln des Sozialismus
9Die geistigen Voraussetzungen des Faschismus 216
10Othmar Spann, der Philosoph des Faschismus 222
11Spanns faschistische Utopie 227
12Faschismus und Marxistische Terminologie
233
13Marx über Korporativismus 245
14Christentum und wirtschaftliches Leben 252
15Notizen von Trainings-Wochenenden der
christlichen Linken 265
IVZwischen Europa und Amerika: die Anerkennung
der Realität der Gesellschaft
16Der faschistische Virus 278
17Jean Jaques Rousseau, oder ist eine
freie Gesellschaft möglich? 296
18Die Bedeutung der parlamentarischen Demokratie 312
19Über den Glauben an den ökonomischen Determinismus 325
Quellen 335
Register 33 7