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70.; Gewalt - Zerstörung - Transformation

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Verfasser*innenangabe: Herausgegeben von Angelika Ebrecht-Laermann, Elfriede Löchel, Bernd Nissen und Johannes Picht. Mit Beiträgen von Thomas Auchter, Gerhard Dahl, Rolf Haubl, Ilany Kogan, Carine Minne, Tülay Özbek, Cosimo Schinaia, Claudia Thußbas und Winfrid
Jahr: 2015
Jahrbuch der Psychoanalyse
Bandangabe: 70.
Mediengruppe: Buch
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Inhalt

Inhalt:
 
Winfrid Trimborn: Zur Dynamik der Gewalt narzisstischer Bindungen
 
Das Ausmaß und die Stetigkeit von Gewalt und Aggression in intimen Partnerschaften sind nicht allein durch äußere traumatische oder gesellschaftliche Einflüsse zu verstehen. Der Autor beschreibt, wie die komplexe narzisstische Abwehrorganisation infolge traumatischer Einbrüche in das frühe Ich selbst zur Bedrohung wird und aus sich heraus Gewalt und Aggression produziert. Ausgangspunkt dieser Abwehr ist eine regressiv-imaginäre Fusion des Ich mit einem idealisierten (Primär-)Objekt. Gegen die dadurch ausgelösten Ängste sind Sadomasochismus und Negativismus sogar als stabilisierende Faktoren zu bewerten. Charakteristisch für die Fusion zu einer Dualunion ist die symbiotische Omnipotenz, die zur Abwehr einer drohenden Depression unbedingt verteidigt wird.
 
Claudia Thußbas: Kann Gewalt Transformation unaushaltbarer Scham sein? Überlegungen am Beispiel einer Grenzüberschreitung in einer Psychoanalyse
 
In dem Beitrag wird der Frage nachgegangen, ob ein Gewaltakt die Funktion haben kann, extreme, unaushaltbare Formen von Scham wie die der Existenzscham in moderate Formen von Schamerleben zu transformieren. Dazu wurde in einem Wechselspiel von theoretisch-psychoanalytischen Überlegungen zur Scham und Beschreibungen aus einer psychoanalytischen Behandlung ein Konzept entwickelt, das die Funktion eines einmaligen physischen Gewaltaktes einer Analysandin in ihrer Analyse im Rahmen ihrer gesamten Entwicklung beschreiben sollte. Danach spaltete die Analysandin mit ihrem Gewaltakt ihre Scham über ihre Existenz ab und identifizierte die Analytikerin damit projektiv. Sowohl die Abspaltung wie auch das beschreibende Gespräch über die Beschämung der Analytikerin durch die Gewalt ermöglichten der Analysandin eine neue Form von Schamgefühl zu erleben und zu zeigen. Es wird vermutet, dass die Abspaltung von Existenzscham eine wichtige Rolle für Gewaltakte in nahen Beziehungen spielt, z. B. bei der Entstehung häuslicher Gewalt. Durch die Einschüchterung der Opfer und ihr dadurch bedingtes Schweigen ergibt sich jedoch meist keine Chance auf eine Veränderung.
 
Ilany Kogan: Der Schmerz des Analytikers: Zum Umgang mit Wut im analytischen Prozess
 
Anhand der Psychoanalyse von Rachel stellt die Autorin dar, wie es ihr gelang, mit äußerst beunruhigenden, gewaltsamen Affekten umzugehen, die sie bei der Arbeit mit ihrer Patientin an sich selbst beobachten konnte. Hilfreich dabei war vor allem Rachels große Kreativität, wie sie sich in Träumen, Bildern und Gedichten darstellte, die sie mit in die Behandlung brachte. Die darin sichtbare Angst vor Trennung und Beziehung äußerte sich als Wut, die Rachel jedoch erst zum Ausdruck bringen konnte, als sie überzeugt war, dass ihre Analytikerin würde überleben und ihrer beider Beziehung würde fortdauern können.
 
Carine Minne: Kontinuität in diskontinuierlichen Welten
 
Das klinische Paper veranschaulicht den Nutzen langfristiger Kontinuität von Psychotherapie am Beispiel eines schwer gestörten jungen Mannes, der seine Mutter umgebracht hat. In solch einem gestörten und verstörenden Fall können kurzfristige Interventionen nicht zu jenen Veränderungen in der inneren Welt führen, die erforderlich sind, damit das Risiko gewaltsamer Re-Enactments angemessen contained werden könnte, und ein solcher Patient verlässlich gesünder würde, um wieder in der freien Sozialgemeinschaft leben zu können. Hervorgehoben wird auch die Nützlichkeit des OPD-Systems für multidisziplinäre Fachkräfte, die zwar nicht psychotherapeutisch ausgebildet, aber dennoch in die Betreuung involviert sind.
 
Thomas Auchter: Adoleszenz und Gewalt
 
Die mediale Inszenierung adoleszenter Gewalt hält keiner Realitätsprüfung stand. Denn nur ein ganz geringer Teil der Jugendlichen ist dauerhaft gewalttätig. Nach einer Bestimmung der Begriffe ›Adoleszenz‹ und ›Gewalt‹ werden in dieser Arbeit Formen und Funktionen jugendlicher Gewalt untersucht. Die persönliche Ausprägung adoleszenter Gewalt ist das Produkt lebensgeschichtlicher Erfahrungen über alle Entwicklungsphasen hinweg. Individuelle Adoleszenzerfahrung ist immer eingebettet in spezifische historische, soziale und kulturelle Bedingungen. Eine differenzierende Betrachtung fördert zutage, dass sich sowohl bei der Aggression, wie bei der Destruktion und auch der Gewalt jeweils positive und negative, benigne und maligne Aspekte unterscheiden lassen. Betont werden im Anschluss an Donald W. Winnicott vor allem die selbstregulierenden und beziehungsregulierenden Aspekte von Aggression und Gewalt.
 
Tülay Özbek: Phänomene von Gewalt in der Migration
 
Ich widme mich in diesem Beitrag den Phänomenen von Gewalt in der Migration. Diese versuche ich anhand der für die erste bis dritte Migrantengeneration spezifischen psychischen Herausforderungen herauszuarbeiten. In der Migration werden oftmals psychische Prozesse berührt und ausgelöst, die als gewaltsam und überwältigend vom Subjekt erlebt werden, ohne dass dem immer ein Akt physischer Gewalt vorausgegangen ist. Da ich davon ausgehe, dass die Formen und das Erleben von Gewalt in der Migration in jeder Generation einen anderen Fokus haben, habe ich versucht einer Einteilung der Generationen folgend dies zu beschreiben.
 
Rolf Haubl: Wenn Langeweile tödlich wird
 
Langeweile ist eine weit verbreitete, aber vergleichsweise wenig untersuchte Stimmung. Sie wird in ihren Auswirkungen oft unterschätzt, zumal in ihrer chronischen, unerträglich quälenden Variante. Rätselhaft ist die empirisch gut belegte Korrelation von Langeweile und Aggressionen, gegen die eigene Person wie gegen andere Personen. Der Aufsatz beschreibt in einem ersten Schritt diese Variante der Langweile als eine konflikthafte Handlungshemmung, die sich in einer facettenreichen Phänomenologie, Psychodynamik und Soziodynamik manifestiert. In einem zweiten Schritt wird der paradigmatische Fall diskutiert, dass eine gewalttätige Person ihre Destruktivität damit begründet, sie langweile sich. Schließlich nimmt ein dritter Schritt die gesellschaftlichen Randbedingungen der Langweile in den Blick: Es wird die These skizziert, dass die spätmoderne Gesellschaft ihren Mitgliedern gebietet, nur nicht langweilig zu sein, wodurch aber die Langeweile vermutlich zunimmt und schwerer erträglich wird.
 
Cosimo Schinaia: Psychoanalyse und Pädophilie
 
Der Begriff "Pädophilie" taucht im Index der Werke Freuds ebenso wenig auf wie in den Werken von Melanie Klein, Winnicott oder Bion. Eine Untersuchung an fünfzehn der am weitesten verbreiteten psychoanalytischen Zeitschriften in englischer Sprache zeigt, dass außer in den letzten Jahren nur sehr wenige Artikel zu diesem Thema geschrieben wurden. Im Zentrum meiner Arbeit steht die Unterscheidung von pädophiler Perversion und pädophiler Perversität. Die perverse Symptomatik gelangt insofern zu einer besonderen Expressivität, als sie zu neurotischen Krankheitsbildern oder zu denen der Borderline-Erkrankungen bzw. der Psychosen gehört. Bei Perversionen findet sich (wenn auch auf unterschiedlichem Niveau) die Fähigkeit zur Repräsentation. Sie ist zwar reduziert, aber doch teilweise vorhanden. Die sexuelle Perversität ist dagegen in erster Linie bestimmt durch das Fehlen der Denk- und Symbolisierungsfähigkeit. Sie ist charakterisiert durch ein Auseinanderfallen des Selbst.
 
22. Karl-Abraham-Vorlesung:
 
Gerhard Dahl: "Ich gebe zu, daß diese Frage die heikelste der ganzen Psychoanalyse ist." (Freud, 1918b) Karl Abrahams Beitrag zur Weiterentwicklung der psychoanalytischen Lehre
 
Für die Neurosengenese hat Freud zu Beginn seiner Forschungen faktische Erinnerungen seiner ersten Patientinnen an tatsächliche sexuelle Verführung durch einen perversen Vater verantwortlich gemacht. Als empirische Fakten konnten solche traumatischen Ereignisse seinerzeit der Beweissicherung dienen und den wissenschaftlichen Charakter der Ableitungen unterstreichen. Allerdings muss Freud schon bald mit der Entdeckung der infantilen Sexualität und der Tatsache, dass auch die Fantasie traumatische Folgen haben kann, den Begriff der Sexualität von den Genitalien loslösen. Er entwickelt die wissenschaftliche Theorie einer Libido, deren sexuelle Energie im psychischen Apparat über ein ökonomisches Lustprinzip automatisch reguliert wird. Diese erste, die klassische Triebtheorie stößt mit ihrer unzulänglichen Konzeption der Oralerotik schon bald an die Grenzen des Wissenschaftsverständnisses seiner Zeit. Die heikle Frage der Unterscheidung von echten und lediglich fantasierten sexuellen Traumata aus einer frühen oralen Zeit kann Freud mit Hilfe der rationalistischen Theorie der Libido nicht lösen. Der Autor vertritt die Auffassung, dass Freuds frühe Verbindung zu Karl Abraham und dessen Ansichten über die destruktiven Aspekte der Oralität dazu beigetragen haben, dass eine Revision der Trieblehre für Freud schließlich unerlässlich wird. Die Rezeption seiner Spekulationen über ein Jenseits des Lustprinzips und die Weiterentwicklung seiner Theoriebildung durch Melanie Klein und die Postkleinianer fragt daher heute nicht mehr nach energetischen und ökonomischen Gesetzmäßigkeiten der Psyche, sondern nach dem klinischen Nutzen und dem Arbeitswert einer psychoanalytischen Theorie, die schließlich auch eine Antwort auf die heikelste Frage der psychoanalytischen Lehre erlaubt.
 
 
 

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Verfasser*innenangabe: Herausgegeben von Angelika Ebrecht-Laermann, Elfriede Löchel, Bernd Nissen und Johannes Picht. Mit Beiträgen von Thomas Auchter, Gerhard Dahl, Rolf Haubl, Ilany Kogan, Carine Minne, Tülay Özbek, Cosimo Schinaia, Claudia Thußbas und Winfrid
Jahr: 2015
Übergeordnetes Werk: Jahrbuch der Psychoanalyse
Bandangabe: 70.
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Systematik: Suche nach dieser Systematik PI.HPP
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ISBN: 978-3-7728-2070-0
2. ISBN: 3-7728-2070-0
Beschreibung: 255 S. : Ill.
Schlagwörter: Identität, Kontinuität, Perversion, Psychoanalyse, Scham, Sexualisierung, Trauma, Identitätsphilosophie, Identitätstheorie, Nichtidentität, Psychoanalytische Therapie, Schamgefühl, Selbst, Sexuelle Abartigkeit, Sexuelle Perversion
Beteiligte Personen: Suche nach dieser Beteiligten Person Ebrecht-Laermann, Angelika
Sprache: Deutsch
Fußnote: Zsfassungen in engl. Sprache. - Enth. u.a.: Gewalt narzisstischer Bindungen / Winfrid Trimborn. Gewalt als Transformation unaushaltbarer Scham / Claudia Thußbas. Kontinuität in diskontinuierlichen Welten / Carine Minne
Mediengruppe: Buch