„konzepthitze“ ist der erste begriff, der sich im band von judith nika pfeifer findet – und er beschreibt den kern ihrer lyrischen arbeit ganz wunderbar. genauso, wie der titel „manchmal passiert auch minutenlang gar nichts“ prächtig stimmig ist – und gleichzeitig jene gedichte konterkariert, in denen eine konzertierte atemlosigkeit das tempo vorgibt.die gedichte sind einmal sehr komplex und wollen geknackt werden, spielen mit codes, die sich auf den ersten blick einfach dem decodieren verweigern, dann wieder sind sie geradezu zutraulich und kommen verspielt auf leserinnen und leser zu, aber vorsicht, es gibt keine garantie, daß sie nicht doch zuschnappen, zu brennen beginnen, explodieren, wer weiß. da werden begriffe nicht nur neu besetzt, da kommen frische kreationen dazu, da haben die synapsen zu tun – und in dem moment, in dem man meint, auf der sicheren seite des „ach so, ahja, den pretty lemon tree, den kenn ich doch“, angekommen zu sein, kippt einen die sprachspielerin mitleidlos wieder aus dem vorgeblich bequemen, dem ohrensessel des vertauten, aus dem retro-idyll – hinein ins lodernde ihrer konzepthitze. musik, rhythmus, bilden immer wieder die grundfläche ihrer eigen-sinnigen sprachgebäude, da wird gewütet zwischen blasmusik und pop und jazz; und gezürnt und es wird und reflektiert und dann wird es ganz still und es darf festgestellt werden: ich bin traurig.sie wirft, O-ton der autorin: „einen doppelblick auf das schlimme, schöne, ewige, fügt zwischen den gleichmut des medialen beobachtens momentaufnahmen, einen zeitgenössischen schwindel des wahrnehmens schwankt zwischen kämpfen (wogegen?), ohnmachtsgefühlen, diffusen hoffnungen und dem träumen eines sich-entziehens (wohin?). die kurzen texte, gedichte handeln vom alltäglichen, von liebe, liebesverlust, freundschaft, krieg, einem wald als zufluchtsort und zugleich gegenpol zu einer gestressten, digitalen welt.“manchmal passiert minutenlang auch gar nichts – das kann auch als eine doppelbödige herausforderung gelesen werden – das ist u.a. ein alter, aber wirkungsvoller theatertrick, der das publikum unendlich verunsichert, genauso wie eine scheinbar ewig dauernde langeinstellung im experimentalfilm – das ist eine raffinierte aufforderung, sich zu fragen, was passiert, wenn minutenlang gar nichts passiert.farewell 2014zwergische ruinenim rückspiegel einer autobahnauffahrteine ausgebrannte stadtweicher teerschwarzer schlaf hängt unsnoch in den augenwinkelnund ruß streichelt uns die lungenwir sagen uns wir verlassen ein schlachtfeldaus dem grund da wirkeine schlacht zu schlagen habenaber die schlacht schlägt unstausend um tausend metersiehst du die ascheteilchen steigensagt ein ich zu einem kindersitzder leer auf der rückbank des wagenswie schnee der von der erdein den himmel fällt(Verlagstext)
Verfasser*innenangabe:
Cornelia Travnicek
Jahr:
2015
Verlag:
Horn, Berger
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Systematik:
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DD.L
ISBN:
978-3-85028-686-2
2. ISBN:
3-85028-686-X
Beschreibung:
Erstausg., 1. Aufl., 64 S.
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Mediengruppe:
Buch