Menschen mit Down-Syndrom führen dank medizinischer und pädagogischer Entwicklungen ein weitgehend gesundes, ihren Möglichkeiten entsprechend selbstbestimmtes Leben. Die psychische Dimension eines Aufwachsens mit einer genetischen Besonderheit findet vielfach selbst in Fachkreisen noch nicht jene Beachtung, die den damit verbundenen Herausforderungen für die Eltern und Kinder zukommen sollte. So werden Verhaltensauffälligkeiten und Symptome, wie Verweigerung, Anspannung, Aggression, Selbstverletzung oder Adipositas, oftmals als Unarten gewertet, die es abzugewöhnen gilt, oder als zum Down-Syndrom gehörend und somit unveränderbar, nicht aber als Ausdruck seelischer Nöte.
Das Buch eröffnet ein Nachdenken über das bewusste und unbewusste Selbst- und Beziehungserleben von Menschen mit Down-Syndrom und ihren Bezugspersonen. Karin J. Lebersorger verbindet theoretische psychodynamische Überlegungen mit Beispielen aus ihrer jahrelangen klinisch-psychologischen und psychotherapeutischen Arbeit im interdisziplinären Team der Down-Syndrom Ambulanz Wien. Sie vermittelt ein Verständnis für die komplexen intra- und interpsychischen Zusammenhänge von der Diagnosestellung bis zum Erwachsen-Werden. Auf Basis dieses verstehenden Zugangs werden dem Handlungsdialog von Menschen mit Down-Syndrom Bedeutung und ihnen selbst durch Unterstützung oder Übernahme ihrer nicht altersgemäßen Aktivsprache eine Stimme gegeben.
Inhalt
Einleitung 11
1. Kapitel
Wünschen und träumen! 17
Das Kind im Kopf 17
Abschied vom Wunschkind 20
Down-Syndrom im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung 28
2. Kapitel
1-2-3-los! 31
Start ins Leben 31
Essen, Genießen und Beruhigung 36
Oralität und Down-Syndrom 38
3. Kapitel
Selbermachen! 39
Die Anfänge der Autonomie 39
Vom Erleben des eigenen Selbst und der Anderen 40
Der Weg in die Selbständigkeit und Selbstwirksamkeit 41
Die Dynamik des Autonomiekonflikts 43
Die Bedeutung des Dritten 44
Anale Lust und anale Aggression 45
Besondere Aspekte bei Menschen mit Down-Syndrom 47
Körperliche Autonomie 49
Gefangen im Autonomiekonflikt 51
Wege aus Ablehnung und Verweigerung 56
Assistierte Autonomie 59
4. Kapitel
»Böse« Mama! »Böser« Papa! 63
Verantwortete Schuld als entwicklungsfördemde Dimension 63
Verwöhnen und Schonen 64
Zumutungen in Verantwortung 66
5. Kapitel
Konflikte meistern! 71
Konfliktfahigkeit und Ambivalenztoleranz 71
Konfliktspannungen aushalten und auflösen 72
Von der Spaltung zur Integration 73
Konfliktfähig werden 74
6. Kapitel
Willkommen in Phantasia! 81
Phantasie versus Realität 81
Phantasiewelten mit Bedeutung 82
Gemeinsam träumen 86
Die Magie des Bandes 88
7. Kapitel
Same, same but different! 91
Orientierung von Anfang an 91
Frühes Wissen-Wollen 93
Nichts vom Down-Syndrom wissen (wollen) 96
Die Außerirdischen 100
8. Kapitel
Achterbahnfahrten! 105
Chancen und Grenzen des Jugendalters 105
Pubertäre Wucht 107
Aufklärung von Anfang an 108
Adoleszente Höhen und Tiefen 111
Logisch-abstraktes Denken 112
Identitätsfindung 114
9. Kapitel
Sex, wecan! 117
Freude und Leid des Verliebens und des Liebens 117
Die vielen Facetten der Sexualität 119
10. Kapitel
Bisse und Küsse! 123
Über das Essen und das Lieben 123
Sorgen und Symptome 125
Symptome verstehen 127
11. Kapitel
In die Welt! 131
Generativität 131
Eigene Elternschaft 132
Gelebte Generativität 135
Ablösungsschritte 138
12. Kapitel
Geschwister lieben und hassen! 141
Bedeutsame Beziehungen 141
Unerwünschte Gefühle und hohe Erwartungen 143
Egozentrismus, magisches Denken, Zeiterleben 144
Positive Bereicherung durch Geschwister 147
Aktive elterliche Unterstützung 150
Verschieden empfinden, gleich handeln 152
13. Kapitel
Gut genug! 155
Eltern zwischen Schuldgefühlen und Perfektionismus 155
Bewusste und unbewusste Motive 156
Literatur 159
Danksagung 166