Das Buch umfasst drei Arbeiten von Wilfried Bion: Den kurzen Essay "Spannungen in Gruppen" (Northfield Studie) von 1943, sodann die in den Jahren 1948 - 1952 in mehreren Teilen publizierte Studie "Erfahrungen in Gruppen" (Tavistock Studie) und schließlich den Essay "Gruppendynamik". Sowohl die Northfield Studie als auch die Tavistock Studie haben den Charakter von Forschungsberichten: Tätigkeitsbeschreibungen, Falldarstellungen, Überlegungen zu Theoriebildung und Forschungsmethodik gehen oft nahtlos ineinander über. Das erklärt vielleicht, warum die Texte oft so schwierig zu lesen sind.
In der Northfield Studie wird Gruppentherapie als eine Art Resozialisierungsprogramm vorgestellt. Wilfried Bion war Leiter der Rehabilitationsabteilung einer psychiatrischen Klinik der britischen Armee. Seine Aufgabe war es, organisatorische Mittel zu finden, mit denen sich der Genesungsfortschritt der Patienten sowie ihre Interessenslage zwecks dienstlicher Zuteilung feststellen ließen. Bion war sich wohl bewusst, welch heikle Aufgabe er da übernommen hatte. Schließlich bedeutet Genesung eines Soldaten zugleich seine Rückkehr an die Front. Er definiert deshalb seine Aufgabe etwas um und sieht sie darin, "Menschen mit Selbstachtung heranzubilden", mit sozialer Anpassung und der Bereitschaft, "Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft" zu übernehmen.
In der Tavistock Studie erklärt Bion gleich zu Beginn, dass es in der Gruppentherapie nicht um die Heilung individueller Beschwerden geht. Wozu ist das Verfahren dann gut? Die paradoxe Antwort Bions lautet sinngemäß: Die Gruppentherapie ist in erster Linie dazu da, jene Spannungen und Konflikte zu untersuchen, die sie selbst hervorruft. Es ist also ein einigermaßen kontrolliertes Verfahren, jene Kräfte zu untersuchen, die in Gruppen wirksam werden, wenn man die Methode anwendet. Eine heikle Sache: Eine der Rahmenbedingungen an der Tavistock Klinik war ja, dass hier Patienten Behandlung wegen einer seelischen Erkrankung/Beeinträchtigung suchten. Indem ihr Wunsch nach Behandlung selbst zum Objekt der Untersuchung wurde, wurden natürlich Frust und Spannung erzeugt, die selbst wieder Objekt der Untersuchung untersucht wurden. Ich kann mich des Eindrucks eines geschlossenen Zirkels nicht erwehren. Dass dann in kränkeren Gruppepsychoseähnliche Zustande auftauchen können, überrascht mich nicht.
In der Gruppendynamik Studie fasst Bion seine Erkenntnisse über Grundannahmen noch einmal zusammen, gibt ihnen aber einen neuen metapsychologischen Rahmen. Nunmehr nimmt er an, dass es eine Analogie gebe, zwischen Erfahrungen in der Gruppe, wie er sie beschrieben hat und frühkindlichen Erfahrungen, wie sie Melanie Klein beschrieben hat. Er geht sogar noch weiter und deutet die Gruppenphänomene als Regression auf diese frühkindliche Phase. Die Gruppe würde dann frühkindliche Objektbeziehungen, Ängste und Abwehrmechanismen wiederholen.
»Immer lebendig und von Gewinn sind Bions unmittelbare Beschreibungen von Gruppensituationen und das von ihm gegebene Verständnis in seinen Interpretationen. Für jeden, der sich intensiv mit Gruppentherapie beschäftigt, stellen diese Schriften eine gewinnbringende Basislektüre dar.« Der Nervenarzt
»Bions Beobachtungen und Theorien, die in diesem Band zusammengefaßt werden, dürften ihre größte praktische wie theoretische Zukunft noch vor sich haben.«
Hermann Beland im Vorwort zur Neuausgabe
Inhalt
Vorwort zur 3.Auflage von Hermann Beland.........................................I-VIII
I. Spannungen in der Gruppe - therapeutisch gesehen: ihr Studium
als Aufgabe der Gruppe................................................................... 7
Ein Rehabilitationsplan (W.R.B.).................................................... 7
Disziplin für Neurotiker................................................................. 8
Das Experiment ............................................................................... 10
Anwendung der Gruppentherapie in einer kleinen
Station (J.R.) ..................................................................................... 16
Schlußfolgerungen ........................................................................... 18
II. Erfahrungen in Gruppen................................................................... 20
1 .......................................................................... 20
2 ............................................................................................................... 29
3 ............................................................................................................... 42
4 ............................................................................................................... 56
Die abhängige Gruppe..................................................................... 56
Der Haß gegen das Erfahrungslernen .............................................. 63
5 ............................................................................................................... 67
Die Arbeitsgruppe ........................................................................... 71
6 ............................................................................................................... 83
Valenz ............................................................................................... 84
Das Dilemma des Individuums....................................................... 85
Die Angst der Arbeitsgruppe ......................................................... 89
Der Grund der Angst....................................................................... 90
Affektive Schwankungen in einer Gruppe...................................... 91
7 ............................................................................................................... 93
Spaltung............................................................................................. 93
Andere Anschauungen über Gruppen........................................... 94
III. Gruppendynamik............................................................................. 102
Die Arbeitsgruppe ........................................................................... 104
Die Grundannahmen....................................................................... 106
Das Gemeinsame der Grundannahmen.......................................... 112
Abweichende Formen des Wechsels zwischen zwei
Grundannahmen............................................................................... 114
Die spezialisierte Arbeitsgruppe..................................................... 114
Grundannahmen, Zeit, Entwicklung............................................. 116
Das Verhältnis der Grundannahmen zueinander .......................... 117
Zusammenfassung ........................................................................... 121
Die psychoanalytische Auffassung.................................................. 122
Sprachliche Kommunikation............................................................ 137
Zusammenfassung ........................................................................... 139
Literaturhinweise ................................................................................... 142
Namen- und Sachregister........................................................................ 143
Nachweise ............................................................................................... 148