Das Seminar steht ganz im Schatten des »Mai 68«. Doch Lacan verwahrt sich gegen jede Verklärung. Solange die Studenten selbst noch an die befreiende Kraft des Wissens glauben, hinterfragen sie nicht die Autorität der Lehrenden, sondern reproduzieren sie die gegebenen Strukturen. Für den Prozess einer Psychoanalyse lässt sich hingegen zeigen, dass sie zu ihrem Gelingen die unvermeidliche Ausgangsfiktion eines »Subjekts, dem unterstellt wird, zu wissen« abzubauen hat. Lacan grenzt sich sowohl von der Philosophie als auch von der Wissenschaft ab. Erstere frönt einem unreflektierten Humanismus und Subjektivismus; letztere objektiviert die Verhältnisse der Welt und reduziert das Subjekt auf die Funktion des Beobachters. Doch kommt es darauf an, noch jeder Objektivierung die Implikation des Subjekts abzulesen. In der Auseinandersetzung mit der »Pascal’schen Wette«, der Wette auf ein unendliches Leben, geht es nicht nur um den Glauben an die Existenz Gottes, sondern um die gesamte jüdische und christliche Tradition, die bis in die Psychoanalyse nachwirkt – nicht der Gott der Philosophen, sondern der »Gott von Abraham, Isaak und Jakob« steht hier zur Disposition. Die Marx’sche Analyse des »Mehrwerts« wird nicht nur auf die Produktion und Distribution des Wissens angewandt; sie steht auch Pate für die Bestimmung von Genießen und Mehrgenießen, mit denen Lacan das Freud’sche Lustprinzip transformiert. Nicht zuletzt erschafft dieses Seminar die Voraussetzungen für die im Folgejahr erarbeitete berühmte »Theorie der Vier Diskurse«.
INHALT
EINFÜHRUNG
I VOM MEHRWERT ZUM MEHRGENIESSEN.................... 9
DIE INKONSISTENZ DES ANDEREN
II MARKT DES WISSENS, STREIK DERWAHRHEIT ... 31
III TOPOLOGIE DES ANDEREN.............................................. 49
IV DAS GETANE UND DAS GESAGTE................................... 71
V ICH BIN WAS ICH IST ....................................................... 89
VI AUF DEM WEG ZU EINER LOGIZISTISCHEN
PRAXIS IN DER PSYCHOANALYSE ............................. 105
ÜBER DIE PASCAL’SCHE WETTE
VII EINFÜHRUNG IN DIE PASCAL’SCHE WETTE............ 125
VIII DAS EINE UND DAS KLEIN a........................................ 143
IX VON FIBONACCI ZU PASCAL........................................ 163
X DIE DREI MATRIZES ....................................................... 183
XI DEBILITÄT DER WAHRHEIT, VERWALTUNG DES
WISSENS .............................................................................. 199
DAS GENIESSEN: SEIN FELD
XII DAS EREIGNIS FREUD .................................................... 223
XIII VOM GENIESSEN GESETZT ALS EINABSOLUTES .. 241
XIV DIE ZWEI SEITEN DER SUBLIMIERUNG.................... 257
XV 39 FIEBER ........................................................................... 277
XVI KLINIK DER PERVERSION.............................................. 291
DAS GENIESSEN: SEIN REALES
XVII ZENSUR DENKEN ............................................................. 313
XVIII DRINNEN DRAUSSEN....................................................... 331
XIX WISSEN MACHT ................................................................ 349
XX WISSEN GENIESSEN.......................................................... 365
XXI APORIEN ANTWORTEN ................................................. 387
DAS GENIESSEN:SEINE LOGIK
XXII PARADOXIEN DES PSYCHOANALYTISCHEN AKTS . 403
XXIII LOGISCHE GENESE DES MEHR-GENIESSENS............ 421
XXIV VOM EIN(E)S-MEHR.......................................................... 445
RAUSWURF
XXV DIE HINREISSENDE SCHÄNDLICHKEIT DER
HOMMELLE......................................................................... 465
ANHÄNGE
Fibonacci, wie Lacan ihn begreift.
Einige mathematische Beobachtungen ........................ 485
Hilfestellung für den Leser.........................................................................491
Das Dossier über den Rauswurf................................................................ 500
Namensverzeichnis......................................................................................505