(I-23/01-C3) (G ZWs / PL)
In antiken Erzählungen vom Ursprung verdichten sich Welt- und Menschenbilder, die das westliche Denken bis heute prägen. Der renommierte Judaist Peter Schäfer vergleicht biblische und altorientalische, platonische und epikureische, jüdische und christliche Vorstellungen von der Entstehung der Welt und des Menschen. Dabei zeigt sich, dass Sündenfall und Erbsünde christliche Erfindungen sind, während die jüdische Tradition im Sinne der Bibel zu der Erkenntnis kommt: Die Schlange war klug, der Mensch ist frei. - Eine fulminante Zusammenschau der wichtigsten antiken Schöpfungstheorien und ihrer Weltwirkung.
Ein Kernanliegen antiker Gelehrsamkeit war die Spekulation über den Ursprung der Welt und die Stellung des Menschen in ihr. Peter Schäfer setzt auf faszinierende Weise unterschiedliche Entwürfe in Beziehung zueinander: biblische Erzählungen und altorientalische Mythen, Platons Weltentstehungsmythos und Philons platonische Bibeldeutung, Aristoteles' Lehre vom Unbewegten Beweger und Lukrez' materialistische Weltsicht, die erst in der Renaissance wiederentdeckt wurde. Christentum und Judentum haben diese Lehren aufgegriffen und umgeformt, doch dabei entstand, wie die meisterhafte Darstellung zeigt, keine «jüdisch-christliche» Tradition. Denn während für die Bibel und das rabbinische Judentum der Mensch durch die Klugheit der Schlange im Paradies überhaupt erst zum Menschen geworden ist, ist er nach christlicher Vorstellung durch die Verführung der teuflischen Schlange vom eigentlichen Menschsein abgefallen und muss mit der Erbsünde leben. Ein Ausblick zeigt, wie diese unterschiedlichen Menschenbilder in der Moderne weiterwirken, in der Aufklärung einerseits, in der antidemokratischen politischen Theologie Carl Schmitts andererseits.
Mythologie und Naturphilosophie: Antike Weltentstehungsgeschichten im Vergleich
Sündenfall und Erbsünde: Eine christliche Erfindung und ihre Folgen
Menschenbilder und Weltbilder: Die Prägung des Abendlandes durch die antiken Mythen
INHALT
EINLEITUNG.................................................................. 9
1. DIE HEBRÄISCHE BIBEL:
ZWEI URGESCHICHTEN........................................... 27
Das Buch Genesis und seine beiden Schöpfungserzählungen 27
Der erste Schöpfungsbericht ................................................. 36
Der zweite Schöpfungsbericht .............................................. 46
Die Erzählung von der Sintflut.............................................. 59
Die Rückkehr der altorientalischen Mythen........................ 66
Der Babel-Bibel-Streit............................................................. 69
2. ALTORIENTALISCHE EPEN:
GRAUSAME UND GLEICHGÜLTIGE GÖTTER 83
Das Atrachasis-Epos................................................................ 84
Der Sumerische Schöpfungsmythos..................................... 89
Das Gilgamesch-Epos............................................................. 91
Das Enuma Elisch................................................................... 102
Altorientalische Epen und Bibel: Ein Vergleich .................. 108
3. PLATON:
DIE VERGÖTTLICHUNG DES KOSMOS .... 121
Kosmogonische Philosophie: Der Timaios........................... 121
Platons Kosmotheologie.......................................................... 150
Biblische Schöpfungstheologie und platonische Kosmologie 156
4. ARISTOTELES:
DIE ENTGÖTTLICHUNG DES KOSMOS .... 161
Wirkungen in der islamischen, christlichen und jüdischen
Philosophie............................................................................... 161
Der Unbewegte Beweger in Aristoteles’ Kosmophilosophie 164
5. PHILON:
DER JÜDISCHE PLATON.................................. 177
Ein hellenistisch-römischer Theologe .................................. 177
Philons Traktat über die Weltschöpfung............................... 180
Philon und Platon: Die Bibel gegen den Strich gebürstet . . 209
6. VON DEMOKRIT ZU LUKREZ:
NATUR OHNE GÖTTER.................................. 217
Demokrit: Ewige Atome und unzählige Welten.................. 218
Epikur: Seelenfriede durch Naturphilosophie...................... 222
Lukrez: Materialistische Welterklärung............................... 234
7. DAS RABBINISCHE JUDENTUM:
VOM MYTHOS ZUR GESCHICHTE.................... 269
Die Rabbinen und ihre Werke................................................. 269
Polemik und Vereinnahmung: Die christliche Rezeption . . 275
Die Schöpfungsgeschichte im rabbinischen Judentum . . . 280
Rabbinische Schöpfungstheologie........................................ 322
8. O FELIX CULPA:
FLUCH UND SEGEN DER VERTREIBUNG
AUS DEM PARADIES................................................... 327
Die «Ursünde» im nachbiblischen Judentum........................ 330
Von der Sünde zur Erbsünde................................................. 340
Felix Culpa im rabbinischen Judentum.................................. 350
EPILOG.............................................................................. 359
Die Dogmatisierung der Erbsünde........................................ 359
Kant, Schiller, Fichte und die «Philosophierung» der Para
diesgeschichte ......................................................................... 361
Politische Theologie und Erbsündenlehre bei Carl Schmitt 373
ANHANG
Dank........................................................................................ 387
Anmerkungen......................................................................... 391
Literatur .................................................................................. 431
Bildnachweis............................................................................ 441
Namenregister......................................................................... 443