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Zukunft 2024; 03

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Jahr: 2024
Zukunft 2024
Zählung: 03
Mediengruppe: Zeitschrift
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Inhalt

EDITORIAL ZUKUNFT 03/2024: WOHNEN – VON ELISABETH KAISER UND ALESSANDRO BARBERI /28. Feber 2024 Alessandro Barberi Barberi Alessandro, Editorial, Kaiser Elisabeth
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Das Rote Wien – nicht zuletzt symbolisiert durch den Karl-Marx-Hof – galt und gilt als Vorzeigemodell eines qualitativ hochstehenden Wohnens. Es dürfte wohl nicht nur mit Selbstüberschätzung zu tun haben, wenn auch im internationalen Rahmen oft betont und bestätigt wurde, dass die Lebensqualität der Hauptstadt Österreichs jene vergleichbarer Städte übertrifft. Wahrscheinlich ist der Bereich des Wohnens, durch den eminente menschliche Grundbedürfnisse berührt sind, ein Schnittpunkt vieler anderer Politikbereiche wie der Frauen- oder Wirtschaftspolitik, weil einfach alle Menschen ein Dach über dem Kopf benötigen. Gerade in schwierigen Zeiten erweist sich mithin das Wohnen als entscheidender neuralgischer Punkt der Politik, weil die Lebenswelten der Menschen mit ihm so eng verbunden sind. Im Blick auf die historische Größe der Sozialdemokratie hat sich die Redaktion der ZUKUNFT deshalb entschlossen, dem Wohnen eine eigene Ausgabe zu widmen, in deren Rahmen wir eine erlesene Runde von Autor*innen versammeln konnten, die verschiedene Aspekte des Wohnens diskutieren und dabei auch ein eindringliches Bild sozialdemokratischer Wohnbaupolitik vor Augen führen.
 
Den Reigen unserer Ausgabe eröffnet ganz in diesem Sinne Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung Wien, die auf sehr konkreter Ebene deutlich macht, womit Mieter*innen derzeit zu kämpfen haben und weshalb sie mit der Mietervereinigung eine starke Vertretung besitzen: denn seit mittlerweile 1911 kämpft sie für die Interessen der Mieter*innen in Österreich und steht ihnen beratend und informierend in allen Bereichen des Mietrechts zur Seite. In diesem Zusammenhang präsentiert unsere Autorin eine Reihe von eingängigen Zahlen zum Wohnen in Wien und Österreich, um klarzumachen, dass wir es derzeit auch mit einer Erstarrung des Wohnungsmarkts zu tun haben, die nur durch weitere Reformen im Sinne der Mieter*innen dynamisiert werden kann. Es braucht, so die herausragende Juristin Hanel-Torsch, ein Mietrecht für alle Mietverhältnisse mit echten Preisgrenzen, das Aus für befristete Mietverträge und eine faire Neugestaltung des Betriebskostenkatalogs, um das Wohnen stabil zu halten und nicht deregulierten Märkten zu überlassen.
 
Genau in diese „Wohnkerbe“ schlägt auch Michaela Kauer, Leiterin des Verbindungsbüros der Stadt Wien zur EU in Brüssel. Denn im Juni 2024 werden die Bürger*innen der EU über den Kurs entscheiden, den Europa in den kommenden Jahren einschlagen soll, dies nicht zuletzt in der Wohnungspolitik. Das Thema Wohnen darf also auch in den Wahlprogrammen der Parteien nicht fehlen, weshalb deutlich wird, dass das Wiener Modell des sozialen Wohnbaus auch auf europäischer Ebene als Vorbild dienen kann. Dieses erfolgreiche und vielfach gelobte Modell beruht auf den drei landesweiten Säulen einer soliden Verwaltung, einer stabilen Finanzierung und eines starken institutionellen Rahmens. Das österreichische Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz regelt dabei die Gestaltung, Steuerung, Finanzierung und Verwaltung von sozialem, genossenschaftlichem und leistbarem Wohnraum in allen Regionen. Und gerade deshalb braucht auch Europa mutige regulierende Eingriffe in einen Markt, der nicht liefert, was die Menschen brauchen: nämlich gutes, sicheres und bezahlbares Wohnen für alle.
 
Dass dieser Gedanke die österreichische Arbeiter*innenbewegung von Beginn an begleitete, hebt dann Wolfgang Markytan hervor, der an einen Satz des Wiener Bürgermeisters Karl Seitz erinnert, den er zur Eröffnung des Karl-Marx-Hofes am 12. Oktober 1930 formulierte: „Wenn wir einst nicht mehr sind, werden diese Steine für uns sprechen“. Und so sprechen die Gebäude unserer Städte nach wie vor die Sprache der Pioniere des sozialen (und demokratischen) Wohnbaus, deren Anliegen und Ideen genau nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben. Deshalb erinnert Markytan in berührender Weise an die Biografien und das Engagement von Julius Grünwald, Franz Siegel und Anton Weber, die er damit auch dem (stadtgeschichtlichen) Vergessen entreißt. Deutlich wird dabei auch, wie grundlegend die Wohnungspolitik der 1920er-Jahre mit den geistigen Architekturen des Austromarxismus verflochten ist, der bis heute ein ungeahntes Potenzial an progressiver Menschlichkeit besitzt.
 
Haben wir also schon ausgebaut? Sicher nicht, meinen in der Folge Thomas Ritt und Lukas Tockner, die mit ihrem Beitrag angesichts der bedenklichen Lage des Wohnungsmarktes wichtige diesbezügliche Fakten vor Augen führen und u. a. betonen, dass in diesem Bereich der Ausbau des öffentlichen Wohnbaus – im Gegensatz zum „Betongold“ – die einzige Möglichkeit darstellt, eine ohnehin krisengebeutelte Gesellschaft zumindest ein wenig zu stabilisieren. Dabei analysieren sie den spekulativen Bauboom, der ein Überangebot und Rekordpreise mit sich brachte, aber keine Sicherheit für die Bevölkerung. Denn wenn durch diesen Boom Preise und Einkommen auseinanderklaffen und z. B. die Boden- und Baupreise explodieren, wird es immer schwieriger, geförderte Mieten im Sinne des kommunalen Wohnbaus zu realisieren. Deshalb bietet auch nur ein deutliches Beenden und Regulieren des spekulativen Baubooms eine Chance für leistbares Wohnen.
 
In welcher Form sich die Sozialdemokratie in den letzten Jahren bereits eingehend mit dem Thema Wohnen beschäftigt hat, belegt dann der Beitrag von Alessandro Barberi, dem es im Rahmen der zwischen Jänner 2015 und Februar 2016 geführten Parteiprogrammdiskussionen zufiel, die verschiedenen Argumente und Ideen zahlreicher Genoss*innen zusammenzufassen. Dabei ging es um die Stärkung des sozialen Wohnbaus, die Forderung nach einem Wohnen für alle Menschen oder auch um Wohnen im Blick auf das integrative Ideal der Gleichheit. Dass die damals ausformulierten Forderungen nach wie vor von Interesse sind, zeigt etwa der Verweis auf Leerstandsabgaben oder die Forderung nach Wohnförderungen im Blick auf den Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit. Des Weiteren sollten Grünräume und Gemeinschaftsräume gerade angesichts der Wissens- und Informationsgesellschaft im 21. Jahrhundert berücksichtigt werden, was sich in diesem Kontext fast schon von selbst versteht. Es ging also schon in diesen Diskussionen um eine moderne „Wohnungspolitik 4.0“ mit allen Updates.
 
Auch Gerald Bischof, Bezirksvorsteher von Wien Liesing, hält nichts von der Privatisierung des kommunalen Wohnbaus wie er im Interview mit Elisabeth Kaiser betont. Dabei geht es um den auch urbanistisch bemerkenswerten Umstand, dass eine Stadt oder ein Bezirk sich gerade im Wohnbereich in kurzer Zeit grundlegend wandeln kann. Denn gerade der dreiundzwanzigste Bezirk Wiens weist in den letzten Jahrzehnten bemerkenswerte Veränderungen auf, die zutiefst mit den Lebenswelten der Menschen und damit auch mit ihren Wohnbereichen verbunden sind. Bischof gibt dabei nicht nur einen kompetenten Einblick in Fragen der lokalen Wohnpolitik, sondern macht auch mehr als deutlich, wie komplex alle Zusammenhänge sind, die den Begriff „Wohnen“ auf der realpolitischen Ebene betreffen. So hat Liesing z. B. allein in den letzten fünf Jahren rund 6000 neue Wohnungen fertig gestellt und dabei etwa 17.000 neue Mitbürger*innen gewonnen. Zahlen, welche die innere Dynamik eines Bezirks nur auf einer Ebene deutlich machen können.
 
Von dieser Dynamik berichtet auch Sonja Ramskogler im Namen von Wiener Wohnen. Denn selbst ein Gemeindebau ist kein starres Gebilde, sondern erfordert komplexe Lösungen auf konkrete individuelle Wohnprobleme. Deshalb setzt Ramskogler alles daran, Menschen in ihren Wohnungen zu halten. Dies vor allem dann, wenn es zu „schweren Lebenssituationen oder existenziellen Lebenskrisen“ kommt. Sie setzt dies durch individuelle Betreuung um, die durch das Case Management von Wiener Wohnen, das auch mit dem Psychosozialen Dienst der Stadt Wien zusammenarbeitet, breit angeboten wird. Dieses wohnungspolitische Instrument ist weltweit einzigartig und eine deutlich hervorzuhebende Leistung der Wiener Stadtverwaltung. Denn ganz nah an den Grundbedürfnissen der Menschen geht es hier darum, jede Delogierung zu vermeiden und so zu verhindern, Menschen buchstäblich auf die Straße zu setzen. Ramskogler deckt damit einen weiteren Teil des Gesamtbilds ab, dass den Bereich des Wohnens in dieser Ausgabe der ZUKUNFT vor Augen führt.
 
Festzuhalten bleibt, dass Wohnen immer auch mit Zufriedenheit, Empathie und Lebensfreude zu tun hat, wie Kathrin Gaál, Stadträtin für Wohnen, Wohnbau, Stadterneuerung und Frauen, im Interview mit Elisabeth Kaiser zu Protokoll gibt. Für die Stadträtin ist der soziale Wiener Wohnbau deshalb so wichtig, weil er für Gerechtigkeit steht. Er gibt Abertausenden von Menschen die Möglichkeit, in einer leistbaren und hochwertigen Wohnung zu leben. Insofern handelt es sich bei der Wiener Wohnpolitik genaugenommen um eine der größten Mittelstandsförderungen überhaupt. Auch in diesem Interview können unsere Leser*innen eingehendere Informationen zur Lage des Wohnens in Wien gewinnen: So gibt es derzeit 200.000 geförderte Wohnungen und rund 220.000 im Gemeindebau, wobei sich die Zahlen freilich mit jedem neuen Projekt ändern. Insgesamt werden aber derzeit Tausende Gemeindewohnungen saniert und fördern so die Deckung der Grundbedürfnisse von Mieter*innen. Dabei geht es immer auch darum, dass Wohnen für nachfolgende Generationen leistbar und die Qualität auf hohem Niveau zu halten.
 
Auf dem Weg in die Zukunft hat es in der ZUKUNFT schon eine lange Tradition, unsere Bildstrecke mit den Arbeiten bemerkenswerter Künstler*innen zu bespielen. Deshalb freut es uns besonders, dass die Arbeiten von Anemona Crisan unser Schwerpunktthema vom Cover weg auch auf visueller Ebene fortsetzen. Elisabeth Kaiser konnte darüber hinaus und im Namen der Redaktion die Ausnahmekünstlerin zu einem Interview bewegen, in dem sie das Verhältnis von Kunst, Architektur und Politik eingehend diskutiert und deutlich macht, wo Ästhetik und Räumlichkeit in ihren Arbeiten eine Symbiose eingehen. Dass dies gerade im Blick auf „Wohnen“ anregend ist, wird an jedem einzelnen Bild unserer Ausgabe mehr als deutlich. Wir danken Anemona Crisan sehr herzlich dafür, dass sie uns ihre wunderbaren Arbeiten für diese Ausgabe freimütig zur Verfügung stellt und hoffen, dass unsere Leser*innen nicht nur schriftlich, sondern auch bildlich angeregt werden, beim Wohnen über Wohnen nachzudenken.
 
Den Abschluss unserer Ausgabe bildet dann ein Beitrag von Alexandra Rezaei, die für die fachliche Leitung und Qualitätssicherung in der MieterHilfe der Stadt Wien verantwortlich ist. Denn auch der ZUKUNFT ist es ein Anliegen, von möglichst wirklichkeitsnahen Hilfestellungen im Bereich „Wohnen“ berichten zu können. So ist die MieterHilfe der Stadt Wien kostenlos, kompetent und konsequent für die Wiener*innen da und kann bei verschiedensten Problemlagen eingreifen. Die versierte Juristin Rezaei hat deshalb in diesen Artikel auch drei konkrete Fallbeispiele eingefügt, die am Ende unserer Ausgabe zeigen und deutlich machen sollen, dass durch Institutionen wie die MieterHilfe ganz konkrete Unterstützung im Bereich Wohnen angeboten wird und sich niemand verstecken braucht, wenn Wohnen zum Problem wird.

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Jahr: 2024
Übergeordnetes Werk: Zukunft 2024
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