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Lebt kein Gott

Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Beethoven, Ludwig van; Weber, Carl Maria von; Wagner, Richard; Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt
Verfasser*innenangabe: Norbert Ernst (Ten.)
Jahr: 2016
Verlag: Decca
Mediengruppe: Compact Disc
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Inhalt

Dass Rollen des deutschen Faches insbesondere von Richard Wagner im Repertoire des österreichischen Tenors Norbert Ernst eine wichtige Rolle einnehmen würden, zeichnete sich schon sehr bald, sogar noch während seines Studiums ab – und tatsächlich startete er dann seine Opernkarriere mit einem erfolgreichen Debüt als Meistersinger-David an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf. Eine Rolle übrigens, mit der Ernst 2008 auch seinen umjubelten Einstand an der Wiener Staatsoper feierte, jenem Haus dem er seither, für etliche Jahre auch als Ensemblemitglied, eng verbunden ist und wo er sein Rollenspektrum konsequent erweitern konnte – 2014 etwa um den Erik im Fliegenden Holländer.
Sein musikalisches Rüstzeug erwarb sich Ernst, dessen hohe Musikalität bereits im frühesten Kindesalter offenbar wurde, zunächst als Geiger. Und erst nach dem Stimmbruch nahm das Singen schrittweise einen immer wichtigeren Platz in seinem Leben ein, bis Ernst den Geigenbogen endgültig beiseitelegte und seiner wahren Berufung folgte. Dieser, wenn man möchte, Umweg über die instrumentale Ausbildung, führte allerdings zu gleich zwei positiven „Nebenwirkungen“: Zu einem breiten musikalischen Horizont, der nicht an der Rampe endet, sondern das übergeordnete Ganze eines Werkes erkennt und umschließt sowie zu einer entspannten Künstlerpersönlichkeit, die nicht von Anfang an karriereverbissen eine bestimmte Laufbahn angepeilt und sich dadurch die Freude an der Musik lebendig erhalten hatte. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass das Publikum in Norbert Ernst nicht bloß einen Sänger, sondern einen tiefgründigen Interpreten erkennt, für den die genaue Wortausdeutung, die Erkundung der nuancenreichen Bandbreite des Charakters einer Bühnenfigur und nicht zuletzt das richtige Grundgefühl für die jeweilige Musiksprache eines Komponisten oberste Priorität besitzt. Eine einmal gefundene Sicht auf eine bestimmte Rolle, genügt ihm nicht. Stets hinterfragt und verändert Ernst seine Interpretationen durch eine andauernde, immer weiter führende Auseinandersetzung mit den Werken respektive den Partien. Wer ihn näher kennt, weiß: Ernst identifiziert sich während eines Auftritts sogar so sehr mit der Existenz der darzustellenden Figur, dass ihn der Applaus am Ende einer Vorstellung im ersten Moment geradezu unangenehm berührend aus dem Bühnendasein reißt.
Die vorliegenden Einspielung entwickelte sich aus der langjährigen Zusammenarbeit zwischen Norbert Ernst, Hartmut Keil und dem Brandenburgischen Staatsorchester bei den Bayreuther Festspielen. Bald war der Gedanke geboren, mit demselben Orchester und unter demselben Dirigenten eine CD-Einspielung herauszubringen, für die Ernst Ausschnitte aus Werken von Richard Wagner, Carl Maria von Weber und Ludwig van Beethoven wählte, die ihm aus künstlerischer wie interpretatorischer Sicht besonders am Herzen lagen.Mit dem Gebet der Titelfigur aus dem 5. Akt von Wagners Rienzi entschied sich Norbert Ernst für eine der populärsten Stellen dieser Oper, die zwar nach wie vor nicht dem Aufführungskanon der Bayreuther Festspiele angehört, sich aber in den letzten zwei Jahrzehnten einer international gesehen größeren Aufführungsdichte erfreut. Von Meyerbeer protegiert knüpfte Wagner mit Rienzi an die Tradition der französischen Grand opéra an, vor allem an Gaspare Spontini und Daniel-François-Esprit Auber, konzeptuell wohl auch an Gioachino Rossinis Guillaume Tell, lässt aber zugleich in den besten Stellen, zu denen zweifelsohne das hier vorliegende Gebet gehört, bereits eine Vorahnung an die reiferen Werke durchschimmern: Nach einem längeren Orchestervorspiel folgt das eigentliche Gebet Rienzis, in dem er, der bis dahin erfolgreiche römische Volkstribun, seinen nahenden Untergang erkennend, um die Unterstützung Gottes fleht, wobei Wagner geschickt zwischen der innigen Bitte und dem heldischen-männlichen Selbstverständnis Rienzis changiert.
Das absolute Gegenstück zum Rienzigebet bilden die beiden Ausschnitte aus Wagners letztem Bühnenwerk Parsifal. War Rienzi noch ein spätes Statement zur französischen Großen Oper, so steht Parsifal mit den protoimpressionistischen Anklängen an der Schwelle zur Moderne – nicht umsonst hatte Debussy, der der Musik Wagners grundsätzlich nicht sehr positiv gegenüber stand, Parsifal zutiefst bewundert. Instrumentation, Melodik, Harmonik sowie die musikalische Motivik kommentieren und interpretieren auf höchst komplexe Weise den Verlauf der Handlung dieses dialektisch gestalteten Dramas, in dem sich die Titelfigur in Anlehnung an Schopenhauers Verneinung des Willens vom „reinen Tor“ zum Erlöser entwickelt. Bewusst entschied sich Norbert Ernst für zwei Schlüsselmomente dieses von Wagner als Bühnenweihfestspiel titulierten Werkes: In „Amfortas … die Wunde“ (2. Aufzug) erkennt Parsifal, „hellsichtig“ geworden, die Ursache für das Leid des Gralskönigs Amfortas, die in Parsifal zugleich das notwendige Mitleid auslöst, um den Versuchungen Kundrys zu widerstehen und das verlogene Zauberreich Klingsors zu zerstören. In „Nur eine Waffe taugt“ (3. Aufzug) vollendet Parsifal mit der Heilung Amfortas‘ und der Rückführung des heiligen Speeres an seinen angestammten Platz in der Gralsburg das Erlösungswerk und läutet zugleich, mit der Übernahme des Gralskönigtums, die notwendig gewordene Zeitenwende ein.
Aus den beiden „romantischen“ Wagner-Opern Lohengrin und Tannhäuser präsentiert Norbert Ernst die jeweiligen Höhepunkte – die Gralserzählung und die Romerzählung: Nicht umsonst. Zählt doch die mittels einer raffiniert-subtilen Orchesterbegleitung in ein von Vornherein mystisches Licht getauchte Erzählung des geheimnisvollen Ritters Lohengrin, in der dieser endlich seine Herkunft lüftet, ebenso zu den vokalen Prüfsteinen jedes jugendlichen Heldentenors wie der zerklüftete Bericht Tannhäusers von seiner Pilgerfahrt nach Rom und der negativen Aufnahme durch den Papst sowie der Entschluss die reale Welt erneut gegen die verbotene der Venus einzutauschen als Herausforderung der Interpretationskunst gilt.
Als thematisches Pendant, genauer als Satyrspiel zur Tannhäuser-Tragödie dachte Wagner ursprünglich seine Meistersinger zu Nürnberg, in der er die bürgerlichen Sangesmeister dem adeligen Sängerwettstreit der Wartburgversammlung gegenüberstellte. Das rein orchestrale Vorspiel aus den Meistersingern ergänzt die Wagner-Auslese auf dieser CD um einen Ausschnitt aus der einzigen wirklich heiteren Oper des Bayreuther Meisters.
Die musikalische und konzeptuelle Qualität der großen Arie des Max aus dem Freischütz geht weit über die bloße Volkstümlichkeit, die ihre lange Zeit lang anhaftete, hinaus. Niemand Geringerer als Richard Wagner unterstrich die hier geglückte Emanzipation der Musik von der „kindischen Dichtung“, die als wesentlicher Entwicklungsschritt in der Opernliteratur verstanden werden kann. Darüber hinaus schildert Weber gekonnt das Wechselbad der Gefühle, das den verzweifelten Max vom rechten Weg abbringt und in die Fänge des Bösewichts Kaspar und Samiels führt: Geballte, spannungsvolle düstere Dramatik wechselt mit lichten Passagen ab und zieht den Hörer immer tiefer in die scheinbar ausweglose Situation des verliebten Jägers hinein.
Wie schon der große deutsche Musikwissenschaftler Ulrich Schreiber betonte, gelang Beethoven mit „der großen Florestan-Szene“ am Beginn des zweiten Aktes von Fidelio „etwas ungeheuerlich Neuartiges in der Operngeschichte“: Schon die orchestrale Einleitung schildert durch dynamische Kontraste, Seufzermotivik, herzschlagimitierende Tritonus-Verwendung in den Pauken und rhythmisch regelmäßige Repetitionsketten in der Melodiebegleitung die Grundatmosphäre des einsam und im Kerker dahinvegetierenden Florestan. Doch dieser unschuldig Leidende, der dem Beethoven‘schen Idealbild eines aufrechten Menschen entsprechend, „Wahrheit kühn zu sagen wagt“ auch wenn ihm dafür Ketten drohen, schwingt sich aus dem die Situation beschreibenden Adagio zu einem freiheitsvisionären Allegro, in dem die Gattin als Erlöserin aus der Gefangenschaft, einem exstatischen Hymnus gleich, hoffnungsvoll besungen und gepriesen wird.
Von Anfang an stand für alle Beteiligten dieser Einspielung fest, dass die Aufnahme einem absoluten live-Charakter entsprechen sollte. Nobert Ernst formulierte diese Zielvorgabe folgendermaßen: „So wie das Publikum die Stücke auf der Bühne erleben würde, so wie ich sie auf der Bühne singen würde, genau so müssen sie auf dieser CD klingen. Tempo, Stimmhandhabung, Stimmfärbung, Hall – nichts darf eine gemachte, gekünstelte Anmutung erhalten, auch hat die Stimme nicht retortenhaft im Vordergrund zu stehen, sondern in einem natürlichen akustischen Balance-Verhältnis zum Orchester.“ Darüber hinaus ist Authentizität für Ernst groß geschrieben. Etwaige aktuelle Hörgewohnheiten oder gerade gängige Interpretationsvorgaben stehen für ihn nicht zur Diskussion. Mit dieser CD möchte er den Hörern vielmehr seine Wagner-Sicht, seine Beethoven-Sicht und seine Weber-Sicht vorlegen und die hier versammelten Opernausschnitte durch die ganz persönliche, unverfälschte tenoral hell gefärbte Stimme zum Leben erwecken.

Details

Verfasser*innenangabe: Norbert Ernst (Ten.)
Jahr: 2016
Verlag: Decca
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Systematik: Suche nach dieser Systematik CD.06, CD.03
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Beschreibung: 1 CD
Beteiligte Personen: Suche nach dieser Beteiligten Person Ernst, Norbert; Borchev, Nikolay; Keil, Hartmut
Originaltitel: Arien
Fußnote: 1. Ludwig van Beethoven: Fidelio Opus 72: Gott! welch dunkel hier! (Act 2) 2. Carl Maria von Weber, Der Freischütz, J. 277 / Act 1: Nein, länger trag' ich nicht die Qualen ... Durch die Wälder, durch die Auen 3. Rienzi / Act 5: Allmächt'ger Vater, blick herab 4. Richard Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg Vorspiel zum I. Aufzug 5. Richard Wagner: Tannhauser: Inbrunst im Herzen (Act 3) 6. Richard Wagner: Lohengrin: In fernem Land (Act 3) 7. Richard Wagner: Amfortas! Die Wunde! (Act 2) 8. Richard Wagner: Parsifal: Act 3: Nur eine Waffe taugt
Mediengruppe: Compact Disc