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Analytische Sprachphilosophie

Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Runggaldier, Edmund
Verfasser*innenangabe: Edmund Runggaldier
Jahr: 1990
Verlag: Stuttgart [u.a.], Kohlhammer
Mediengruppe: Buch
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Inhalt

Eine philosophische Disziplin, die sich mit Ursprung, Wesen und Funktion der Sprache befasst. Anders als in der Sprachwissenschaft sind nicht einzelne Sprachen Gegenstand der Untersuchung, sondern das Phänomen der Sprache überhaupt. Sprachphilosophie (engl. philosophy of language ) ist weiterhin zu unterscheiden von sprachanalytischer Philosophie (engl. linguistic philosophy ), bei der es sich um eine Methode des Philosophierens handelt, die philosophische Fragen der verschiedenartigsten Disziplinen durch eine Untersuchung der Sprache zu klären versucht (analytische Philosophie). Da sich die sprachanalytische Philosophie dabei der Ergebnisse der Sprachphilosophie bedienen muss, kann sie auch als angewandte Sprachphilosophie bezeichnet werden. Aufgrund der von vielen Teilen der Philosophie im 20. Jh. vollzogenen ›sprachlichen Wende‹ (engl. linguistic turn ) hin zur Sprachanalyse rückten somit auch sprachphilosophische Probleme zunehmend in den Vordergrund. Aber die Sprache spielt nicht nur in der analytischen Philosophie, sondern in fast allen anderen philosophischen Richtungen eine Rolle; zu nennen sind hier insbesondere Hermeneutik, Phänomenologie, Existenzphilosophie, Strukturalismus und Poststrukturalismus. Im Folgenden wird lediglich die analytische Richtung weiterverfolgt.Gegenstand sprachphilosophischer Untersuchungen sind Eigenschaften sprachlicher Ausdrücke. Wenn von diesen die Rede ist, kann zweierlei gemeint sein. Man kann entweder vom konkreten raum-zeitlichen Vorkommnis (engl. token ) eines Ausdrucks sprechen, z.?B. den Kreidespuren auf einer Tafel, oder von der abstrakten sprachlichen Form (engl. type ), die durch die Vorkommnisse realisiert wird. Steht z.?B. der Satz ›Es regnet‹ zweimal auf einer Tafel, so handelt es sich um zwei Sätze im Sinne eines Satzvorkommnisses, aber um nur einen Satz im Sinne einer Sprachform. Im Folgenden wird ›Ausdruck‹ im letzteren Sinne verstanden. Weiterhin ist zu unterscheiden zwischen der Sprache, die Gegenstand der Untersuchung ist (Objektsprache) und der Sprache, in der die Ergebnisse der Untersuchung, also Aussagen über die Objektsprache, formuliert werden (Metasprache). Diese Unterscheidung ist auch dann von besonderer methodischer Bedeutung, wenn die gleiche Sprache als Objekt- und als Metasprache dient.Die charakteristische Eigenschaft sprachlicher Ausdrücke ist ihr Zeichencharakter. Für dessen Untersuchung hat sich die auf die allgemeine Zeichentheorie (Semiotik) von Morris zurückgehende Unterscheidung zwischen Syntax, Semantik und Pragmatik durchgesetzt. Die Syntax untersucht die inneren, rein formalen Beziehungen zwischen den Zeichen eines Systems, die Semantik betrachtet die Beziehung zwischen den Zeichen und den von ihnen bezeichneten Gegenständen und die Pragmatik befasst sich mit den Beziehungen zwischen den Zeichen und den Personen, die sie verwenden. In allen drei Bereichen bestehen gravierende Unterschiede zwischen der Untersuchung natürlicher Sprachen wie Deutsch oder Englisch, die eine enorme Komplexität und eine nicht zu behebende Unschärfe aufweisen, und der Untersuchung von formalen Kunstsprachen, die an Logik und Mathematik orientiert sind. Es wurden zwar viele sprachphilosophische Konzeptionen mit dem Anspruch formuliert, auf Sprache schlechthin zuzutreffen, aber exakte Theorien mit präzise definierten syntaktischen und semantischen Begriffen wurden lange Zeit nur für formale Kunstsprachen geschaffen. Erst Chomsky stellte mit seiner so genannten generativen Grammatik eine präzise syntaktische Theorie der Umgangssprache auf (Syntactic Structures , 1957 ) und der erste Versuch einer semantischen Theorie, die gleichermaßen auf formale Kunstsprachen wie auf Normalsprachen anwendbar ist, wurde von Montague unternommen (Universal Grammar , 1970 ).Obwohl es Philosophen gab, die eine rein syntaktische Analyse der Sprache für ausreichend hielten, stand doch im Zentrum sprachphilosophischer Untersuchungen stets der ins Feld der Semantik gehörende Bedeutungsbegriff. Hier kann man zwischen realistischen und pragmatischen Semantiken unterscheiden. Bei realistischen Semantiken steht der referenzielle Charakter der Sprache im Vordergrund, die Bezugnahme sprachlicher Ausdrücke auf konkrete oder abstrakte Objekte, die unabhängig von den sprachlichen Ausdrücken gegeben sind. Die Bedeutung eines Ausdrucks kann zwar vom Kontext der Äußerung abhängen, ist aber unabhängig von Sprecher und Hörer. Nach dieser Auffassung ist eine scharfe Trennung von Semantik und Pragmatik möglich und unter den Anhängern realistischer Semantiken bestand häufig die Neigung, pragmatische Betrachtungen aus der Sprachphilosophie auszuschließen und der Psychologie zuzuweisen.In dieser semantischen Tradition ist eine Unterscheidung zweier Bedeutungskomponenten üblich, die auf Freges Aufsatz Über Sinn und Bedeutung (1894) zurückgeht, der als Beginn der modernen Semantik gilt. Durchgesetzt haben sich allerdings die Begriffe, die Carnap in einer – zum Teil vom Original abweichenden – Rekonstruktion Freges eingeführt hat (Meaning and Necessity , 1947 ). Man unterscheidet danach zwischen der Extension und der Intension eines sprachlichen Ausdrucks. Während die Extension (bei Frege ›Bedeutung‹, engl. reference oder denotation ) die Menge der Objekte ist, die der Ausdruck bezeichnet, zielt die Intension (bei Frege ›Sinn‹, engl. sense ) auf den begrifflichen Gehalt des Ausdrucks. Abhängig davon, ob in einer semantischen Theorie nur Extensionen oder auch Intensionen berücksichtigt werden, spricht man von einer extensionalen oder intensionalen Semantik. Es ist auch gebräuchlich, das Objekt, auf das ein Ausdruck verweist, als Sachbezug oder Referenz (engl. reference ) zu bezeichnen, die Intension dagegen als Bedeutung (engl. meaning ). Man kann die Semantik daher auch in eine Theorie der Referenz und eine Theorie der Bedeutung aufteilen.Für eine genauere Darstellung ist es nötig, zwischen verschiedenen Typen sprachlicher Ausdrücke zu unterscheiden. Unter Namen im weiteren Sinne oder Individuenausdrücken versteht man Eigennamen wie ›Benjamin Franklin‹ und Ausdrücke wie ›der erste US-Botschafter in Paris‹, die im Anschluss an Bertrand Russell (On Denoting , 1905 ) als Kennzeichnungen (engl. definite descriptions ) bezeichnet werden. Diese Ausdrücke haben die Eigenschaft, in einem gegebenen Kontext in eindeutiger Weise auf einen bestimmten Gegenstand zu verweisen. Ausdrücke, die unvollständig sind und durch Einsetzung eines Namens zu einem Aussagesatz werden (›… war der erste US-Botschafter in Paris‹), werden als Prädikate bezeichnet.Es wird allgemein akzeptiert, dass alle diese Typen von Ausdrücken eine Extension haben. Im Falle von Namen ist dies der bezeichnete Gegenstand, bei Prädikaten die Klasse der Gegenstände, bei denen die Einsetzung ihres Namens in den Ausdruck einen wahren Satz ergibt, bei Sätzen der Wahrheitswert (wahr oder falsch). Umstritten ist dagegen, welche Ausdrücke eine Intension besitzen. In der an Frege und Carnap anknüpfenden Tradition haben alle Typen von Ausdrücken Intensionen. Bei Namen versteht man darunter ihren begrifflichen Gehalt, bei Sätzen die durch den Satz ausgedrückte Aussagen oder Proposition und bei Prädikaten die fragliche Eigenschaft (z.?B. die Eigenschaft, der erste US-Botschafter in Paris zu sein). Anders als Frege und Carnap waren Russell und der frühe Wittgenstein (Tractatus logico-philosophicus , 1921 ) der Ansicht, dass Namen eine rein bezeichnende Funktion haben; die kleinsten sprachlichen Einheiten, denen sie einen Sinn oder eine Intension zusprachen, waren Sätze. Auch Kripke hat in neuerer Zeit die Auffassung vertreten, dass Namen keine Intension haben (Meaning and Necessity , 1972 ). Folgt man dieser Ansicht, gehen allerdings viele Möglichkeiten der Differenzierung verloren, die Frege gerade zu seiner Unterscheidung bewogen hatten. So haben die Namen ›Morgenstern‹ und ›Abendstern‹ zwar dieselbe Extension, weil sie denselben Gegenstand bezeichnen, nämlich den Planeten Venus, ihre Intensionen, die man mit ›der hell leuchtende Stern, der am Morgenhimmel zu sehen ist‹ und ›der hell leuchtende Stern, der am Abendhimmel zu sehen ist‹ umschreiben könnte, sind dagegen verschieden.Während auch heute noch viele Philosophen Freges Ansicht teilen, dass eine Beschränkung auf die Extension keine adäquate Analyse wichtiger sprachlicher Eigenschaften gestattet, sind Intensionsskeptiker wie Quine der Meinung, dass alle intensionalen Begriffe notorisch unklar und daher unbrauchbar für eine semantische Analyse sind, sodass man mit einer rein extensionalen Semantik, einer Theorie der Referenz, auskommen müsse. Daraus ergibt sich auch eine Ablehnung der Unterscheidung zwischen analytischen und synthetischen Sätzen, die in der Semantik Carnaps eine entscheidende Rolle spielt. Analytisch werden diejenigen Sätze genannt, deren Wahrheit oder Falschheit allein aus der Bedeutung der in ihnen vorkommenden Ausdrücke folgt, während Sätze, deren Wahrheit darüber hinaus vom Bestehen oder Nichtbestehen von Tatsachen abhängt, als synthetisch bezeichnet werden. Bei analytischen Sätzen unterscheidet man noch zwischen logischen Wahrheiten oder Falschheiten, bei denen der Wahrheitswert aus den Prinzipien der Logik folgt (›es regnet oder es regnet nicht‹), und analytischen Sätzen im weiteren Sinne, die keine logischen Wahrheiten sind (›alle Junggesellen sind unverheiratet‹). Der Analytizitätsbegriff wird von Quine abgelehnt, da in seine Definition der intensionale Bedeutungsbegriff eingeht (Two Dogmas of Empiricism , 1951 ).Kontrovers diskutiert wird auch die Frage, welches die primär bedeutungstragenden Einheiten der Sprache sind. Auf der einen Seite findet man atomistische Konzeptionen, nach der die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks eine eindeutig bestimmte Funktion der Bedeutungen der Teilausdrücke ist. Eine derartige Auffassung vertrat etwa Frege mit Bezug auf den Sinn von Sätzen und deren Teilausdrücken. Und Wittgensteins logischer Atomismus im Tractatus ging davon aus, dass alle Sätze logische Verknüpfungen von Elementarsätzen sind, nicht weiter zerlegbaren Satzatomen, die die kleinsten sinntragenden Einheiten sind. Dem Atomismus steht der z.?B. von Quine vertretene Holismus gegenüber, der als kleinste bedeutungstragende Einheit ein ganzes System von Sätzen ansieht, ja letztlich das gesamte Gebäude aus Sprache und wissenschaftlichen Theorien.Neben den bisher betrachteten realistischen Konzeptionen bilden die pragmatischen Semantiken die zweite Gruppe. Der entscheidende Anstoß für ihre Verbreitung war Wittgensteins Spätphilosophie der Philosophischen Untersuchungen (posthum 1953 ). Dort gelangte Wittgenstein zu der Einsicht, dass die Sprache weitaus mehr Funktionen hat als das bloße Bezeichnen von Sachverhalten, wie er im Tractatus noch angenommen hatte. Das Sprechen einer Sprache wird nun als menschliche Verhaltensweise angesehen, die in den Kontext des gesamten Lebenszusammenhangs eingebettet ist und den verschiedenartigsten Zwecken dienen kann. Die Annahme von Bedeutungen als abstrakten sprachunabhängigen Entitäten wird zurückgewiesen, da sie keiner empirischen Untersuchung zugänglich sind. Beobachtbar ist nur der Sprachgebrauch, über den die Bedeutung von Ausdrücken somit zu bestimmen ist. Diese Einsichten führten dazu, dass in der Sprachphilosophie pragmatische Betrachtungen, die Sprecher und Hörer einbeziehen, immer mehr in den Mittelpunkt rückten, ja dass Semantik und Pragmatik als nicht separierbare Gebiete angesehen wurden.Fortgeführt wurden diese Ansätze in der von Austin begründeten und von Searle (Speech Acts , 1969 ) weiterentwickelten Sprechakttheorie. Sie greift die Annahme auf, dass mit sprachlichen Äußerungen Handlungen oder Akte vollzogen werden, die den verschiedenartigsten Zwecken dienen können, und untersucht die Beziehungen zwischen der Verwendung sprachlicher Ausdrücke und den Absichten und Überzeugungen von Hörern und Sprechern. Dazu werden mehrere Arten von Akten unterschieden, die mit einem Sprechakt verbunden sind. Zunächst einmal wird mit der Äußerung von Wörtern ein Äußerungsakt vollzogen. Falls die geäußerten Wörter auf ein bestimmtes Objekt verweisen (Referenz) und diesem Objekt eine Eigenschaft zuschreiben (Prädikation), ist mit der Äußerung ein propositionaler Akt verbunden. Schließlich wird mit der Äußerung in der Regel auch etwas behauptet, gefragt, befohlen, versprochen usw., was als illokutionärer Akt bezeichnet wird. So wird mit der Äußerung der Sätze ›Sam ist ein Gewohnheitsraucher‹ und ›Ist Sam ein Gewohnheitsraucher?‹ zwar derselbe propositionale Akt formuliert, aber es werden verschiedene illokutionäre Akte vollzogen.Auch die Frage danach, wie Menschen ein derart komplexes System wie unsere Umgangssprache erlernen können, ist ein Thema der Sprachphilosophie. Insbesondere wird dabei das Verhältnis zwischen angeborenen und erlernten Fähigkeiten diskutiert. Empiristische Sprachtheoretiker vertreten die Ansicht, dass der Erwerb der für die Beherrschung einer Sprache nötigen Fähigkeiten weitgehend auf empirischem Wege erfolgt, wenngleich auch sie nicht leugnen, dass gewisse Mechanismen, die beim Erlernen einer Sprache bereits vorausgesetzt werden müssen, angeboren sind. In der von Quine vertretenen behavioristischen Variante des Empirismus, die das Erlernen der Sprache auf der Grundlage von Reiz-Reaktions-Mustern zu erklären versucht, sind dies vor allem gewisse Dispositionen wie die der Ähnlichkeitserinnerung (The Roots of Reference , 1974 ). Demgegenüber hat Chomsky betont, dass alle empiristischen Erklärungen des Spracherwerbs prinzipiell unzureichend sind, da sie den Erwerb eines so ungeheuer komplexen Systems wie der Umgangssprache bei Kindern, deren kognitive Fähigkeiten noch bei weitem nicht den Stand von Erwachsenen erreicht haben, nicht erklären können. Nach Chomskys Ansicht teilen alle irdischen Sprachen gewisse grammatikalische Strukturen, die als ›linguistische Universalien‹ Teil des genetischen menschlichen Erbes sind. Nur durch ein Zusammenspiel zwischen diesen weit reichenden angeborenen Mechanismen und empirischen Faktoren sei der Erwerb unserer sprachlichen Kompetenz – unserer Fähigkeit, Sätze zu erzeugen und zu verstehen, die wir noch niemals zuvor gehört oder ausgesprochen haben – erklärbar.F.?von. Kutschera, Sprachphilosophie , 2. Aufl. München 1975 E. Runggaldier, Analytische Sprachphilosophie , Stuttgart / Berlin / Köln 1990

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Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Runggaldier, Edmund
Verfasser*innenangabe: Edmund Runggaldier
Jahr: 1990
Verlag: Stuttgart [u.a.], Kohlhammer
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Systematik: Suche nach dieser Systematik PI.LS
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ISBN: 3-17-010613-9
Beschreibung: 192 S.
Schlagwörter: Analytische Philosophie
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Fußnote: Literaturverz. S. 181 - 186
Mediengruppe: Buch