Cover von The string sonatas wird in neuem Tab geöffnet

The string sonatas

["Sonate a quattro"]
Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Rossini, Gioachino
Verfasser*innenangabe: Rossini. Elizabeth Wallfisch [Vl] ; Marshall Marcus [Vl] ; Richard Runnicliffe [Vc] ; Chi-Chi Nwanoku [Kb]
Jahr: 2005 (1992)
Verlag: London, Hyperion Records Ltd.
Mediengruppe: Compact Disc
verfügbar

Exemplare

AktionZweigstelleStandorteStatusFristVorbestellungen
Vorbestellen Zweigstelle: 07., Urban-Loritz-Pl. 2a Standorte: CD.01B Rossi / College 5a - Szene Status: Verfügbar Frist: Vorbestellungen: 0

Inhalt

Rossinis sechs Streichersonaten wurden im Sommer 1804 in Ravenna geschrieben. Der Komponist war gerade zwölf Jahre alt und weilte im Hause eines begeisterten Amateur-Kontrabaßspielers namens Agostini Triossi – daher die prominente Rolle, die diesem Instrument zukommt. Zunächst waren diese Jugendwerke nur mit zwei Violinen, Violoncello und Kontrabaß besetzt. Sie gehören höchstwahrscheinlich der Kategorie „Sonate a quattro“ an, denn Rossinis Partitur bezeichnet jedes Instrument eindeutig im Singular. Wenn sie heute aufgeführt werden, dann gewöhnlich von Ensemblegruppen. Jeder Violinpart wird in der Regel von drei Ausführenden getragen, während die „Stimme“ des Cellos verdoppelt wird und ein einzelnes Baßinstrument das Ensemble vervollständigt. Mit der vorliegenden Aufnahme zum 200. Geburtstag des Komponisten kehren wir endlich zu Rossinis ursprünglicher, seither vernachlässigter Konfiguration aus vier Instrumenten zurück.
Die Existenz dieser frühen Sonaten war von Anfang an gut dokumentiert, auch wenn ihr Aufbewahrungsort viele Jahre lang ein Geheimnis blieb. Die meisten Wissenschaftler gingen davon aus, daß sie seit langem vernichtet waren. Doch 1954 tauchte Rossinis Originalversion in der Washingtoner Kongreßbibliothek auf. Sie war mit einem Vorwort von A Bonaccorsi versehen und entsprach einem bereits 1942 gemachten Fund von fünf der Sonaten (ohne die Nr. 3), die als gewöhnliche Streichquartette instrumentiert und erstmals 1826 von Ricordi in Mailand herausgegeben worden waren. Alfredo Casella bearbeitete diese Entdeckung aus Kriegszeiten zur Veröffentlichung 1951.
Die Musikwissenschaftler der Gegenwart sind schnell bei der Hand, Mängel und Schwächen der Originalwerke aufzuzeigen. Dabei verlieren sie offenkundig zwei beachtenswerte Tatsachen aus den Augen: Rossini war noch ein Kind, als sie geschrieben wurden. Mehr noch: Er hatte kaum begonnen, ernsthaft Musik zu studieren. Inwieweit er bereits mit der Musik von Haydn und Mozart vertraut war, kann nur vermutet werden. Es dürfte sich um eine sehr begrenzte Kenntnis gehandelt haben, auch wenn er in späteren Jahren Mozart den Gegenstand „der Bewunderung meiner Jugend, der Verzweiflung meiner Erwachsenenzeit und des Trostes im Alter“ genannt hat. Wie immer Rossinis früheste Einflüsse ausgesehen haben mögen: Kaum jemand würde bestreiten, daß Mozart als Zwölfjähriger auch nichts von größerem Format hervorgebracht hat. Mendelssohn war vierzehn Jahre alt, ehe er seine zwölf gelungenen Streichersinfonien schuf, und erst als Jugendlicher von 16/17 Jahren vollendete er das Oktett und die Ouvertüre zum Sommernachtstraum, Werke, die oft als Beispiele unübertroffener Frühreife angeführt werden.
Rossinis sechs Sonaten verkörpern nicht diesen fortgeschrittenen Grad an Besinnung und Frühreife. Wie hätte er ihn an diesem Punkt auch erreicht haben können? Er hatte kaum angefangen, Kompositionsunterricht zu nehmen, und die Werke wurden ganze zwei Jahre nach dem Zeitpunkt geschrieben, als die verzweifelte Suche nach ausreichend Arbeit seine Eltern gezwungen hatte, den adriatischen Geburtsort des Komponisten zu verlassen. Zehn Kindheitsjahre lang fand sein Vater, der Hornist Giuseppe Rossini, nur gelegentlich Arbeit und war unter anderem als Stadttrompeter und als Aufseher in Schlachthäusern tätig. Der Junge kam in die Obhut der Großmutter mütterlicherseits, während beide Eltern dorthin unterwegs waren, wo es Arbeit gab. Schließlich erschienen die Aussichten in Bologna vielversprechender, und die Familie zog 1802 endgültig dorthin. Giuseppe trat der Accademia Filarmonica von Bologna bei, und Gioacchinos Mutter, ein minderer Opernstar, zog sich mit einer Kehlkopferkrankung aus dem Berufsleben zurück. Ihr Sohn erhielt nun privaten Musikunterricht bei Angelo Tesei. Er spielte Cembalo, sang in einer nahegelegenen Kirche und trat 1805 als der Knabe Adolfo in Paers Camilla auf, in einer Inszenierung am Teatro del Corso. Aber erst 1806, als Rossini vierzehn Jahre alt war, durfte er sich seinem Vater an der Accademia Filarmonica anschließen. Bis dahin hatte er längst begonnen, bei Padre Stanislao Mattei Kontrapunkt zu studieren. Vier weitere Jahre sollten bis zu seinem Operndebüt mit La Cambiale di Matrimonio vergehen, einer Komödie in einem Akt, die 1810 am Teatro San Mose in Venedig herauskam. Diese Produktion ebnete offenkundig den Weg zu 39 unterhaltsamen Opern, dem Stabat mater und der umfangreichen Petite Messe Solennelle, denjenigen Werken also, auf denen Rossinis kreatives Renommee hauptsächlich beruht. Die sechs Jahre zuvor vollendeten Streichersonaten waren eindeutig die Leistungen eines Wunderkindes.
Jede von Rossinis sechs beherzten Sonaten ist in einer Durtonart angesiedelt und hält sich an das konventionelle dreisätzige Schema „schnell–langsam–schnell“. Die Eröffnungssätze nehmen die Hälfte oder mehr von der gesamten Spieldauer der jeweiligen Sonate ein. Allerdings lassen sie wenig von jener formalen Durchführung erkennen, die für klassisch strukturierte Werke von Komponisten des Nordens, vor allem von Mozart und Beethoven, so typisch war. Statt dessen kehrt Rossinis einleitendes Material in paralleler, kontrastierter oder transponierter Form wieder, immer durchdrungen von kommunikativer Vitalität. Drei der zentralen Andantes werden von Molltonarten bestimmt, und ihr oberflächlicher melodischer Charme verbirgt gelegentlich, wenn auch nur kurz, mehr Tiefgründigkeit, als die meisten Kommentatoren einem so jungen Komponisten zuzugestehen bereit sind. Das Andante aus der zweiten Sonate in A-Dur ist dafür beispielhaft. Vier seiner Finalsätze sind mit Presto bezeichnet. Im Gegensatz dazu gipfelt die dritte Sonate in einem Satz mit der Bezeichnung Moderato. Hier lenkt Rossinis Anweisung von einer ganz einfachen, aber blendend ungestümen Folge von Variationen ab, die den Kontrabaß kurz und einmalig ins Scheinwerferlicht rückt. Die sechste Sonate in D-Dur beschießt mit einem Tempesta überschriebenen Finale, das ein Vierteljahrhundert vorausblickt auf den Sturm von Wilhelm Tell.
Insgesamt veranschaulichen die sechs Werke das erstaunliche Tempo, mit dem sich Rossini entwickelte. In diesem zarten Alter erfolgte bereits eine Abkehr von herrschenden musikalischen Erwartungen. So trennt er geistreich die Rollen von Cello und Baß und gewährt beiden Instrumenten ihren Anteil am Rampenlicht. Ebenso ist keine der beiden Violinen untergeordnet, und jeder „Sopranstimme“ wurde im Verlauf des Werks einmal die Oberherrschaft zugedacht.
Die Sonaten verkörpern auch jene Unmittelbarkeit und Flüssigkeit, auf die Rossinis Opern niemals verzichten. Gleichzeitig werfen sie einen Blick zurück auf klassische Vorbilder einer soeben vergangenen Generation, auf Techniken, wie sie in der Musik von Simon Mayr, Pietro Carlo, Valentino Fioravanti und Ferdinand Paer vorkommen. Eine verständliche Naivität des Ausdrucks entspringt höchstwahrscheinlich kindlicher Unsicherheit. In seinen späteren Opern verlagerte Rossini das Schwergewicht endgültig von der Buffo-Tradition auf zukunftsweisendere Formen der Opera seria. Doch der Schlüssel zu diesem Wechsel war in seiner Musik immer gegenwärtig. Mit Sicherheit tragen diese Kindheitswerke unverkennbare, wenn auch noch unentwickelte Anzeichen für die Eigenarten ihres Schöpfers im Erwachsenenalter. Sie sprechen von einem Stil, der in schwelgerische Neigungen münden sollte, einem Humor, der freche, manchmal beißende Bonmots hervorbrachte, und einem expressiven Gebaren, wie es für einen „Grandseigneur“ des Musikbetriebs unverzichtbar war.
Als funkelnd melodische, unmittelbar ansprechende konzertante Unterhaltung ist den sechs Streichersonaten ihre Wirkung sicher. Auch besteht kein Zweifel daran, daß alle sechs Werke nach einem Ensemble von besonderer Finesse, Schönheit, Akkuratesse, ja regelrechter Virtuosität verlangen. Im späteren Leben soll ihr Verfasser geprahlt haben: „Gebt mir eine Einkaufsliste, und ich vertone sie.“ Bei diesem, seinem ersten musikalischen Einkaufsbummel erwies sich das Ergebnis als wunderbar: als süßes Konfekt in glitzernder Verpackung.
Howard Smith © 1992 Deutsch: Anne Steeb/Bernd Müller

Details

Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Rossini, Gioachino
Verfasser*innenangabe: Rossini. Elizabeth Wallfisch [Vl] ; Marshall Marcus [Vl] ; Richard Runnicliffe [Vc] ; Chi-Chi Nwanoku [Kb]
Jahr: 2005 (1992)
Verlag: London, Hyperion Records Ltd.
Enthaltene Werke: 1. string sonata no. 1 in G major, 2. string sonata no. 2 in A major, 3. string sonata no. 3 in C major, 4. string sonata no. 4 in B flat major, 5. string sonata no. 5 in E flat major, 6. string sonata no. 6 in D major
opens in new tab
Systematik: Suche nach dieser Systematik CD.01B
Suche nach diesem Interessenskreis
Beschreibung: 1 CD (79:40 Min.) : DDD
Schlagwörter: CD, Sonate, CDs
Beteiligte Personen: Suche nach dieser Beteiligten Person Wallfisch, Elizabeth; Marcus, Marshall; Tunnicliffe, Richard; Nwanoku, Chi-chi
Originaltitel: Sonaten, Vl 1 2 Vc Kb
Fußnote: Interpr.: Wallfisch, Elizabeth [Vl]. Marcus, Marshall [Vl]. Tunnicliffe, Richard [Vc]. Nwanoku, Chi-chi [Kb]. - Bestellnr.: CDH55200
Mediengruppe: Compact Disc