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Heidegger und der Nationalsozialismus

Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Farías, Víctor
Verfasser*innenangabe: Víctor Farías. Mit einem Vorw. von Jürgen Habermas
Jahr: 1987
Verlag: Frankfurt am Main, Fischer
Mediengruppe: Buch
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Inhalt

Die politische Biographie Heideggers ist in drei Teile gegliedert: Jugendjahre bis zum Rektorat an der Universität Freiburg (1889 bis 1933), Heidegger im Nationalsozialismus sowie die Zeit nach dem Rektorat und die Entwicklung von 1934 bis 1945. Unter dem Aspekt der Beziehungen Heideggers zum Nationalsozialismus wird der historisch objektive Kontext seines Denkens, seine konkrete Praxis und die systematische Bedeutung seiner vorgetragenen Ideen analysiert. Dabei wird von der These ausgegangen, daß Heideggers Beitritt zur NSDAP ein langer Weg der Vorbereitung voranging, der in seiner Jugend begann und beeinflußt war von christlich-sozialen, konservativen und antisemitischen Bewegungen und schließlich in seinem Werk "Sein und Zeit" mündete. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, daß die Beziehungen Heideggers zum Nationalsozialismus nicht zu bagatellisieren sind, vielmehr hat sich "das Denken Heideggers ... in und durch diese Beziehungen in Übereinstimmung mit seiner eigenen Vergangenheit und mit einer ganzen Epoche artikuliert". In einem Vorwort von J. Habermas wird der Versuch unternommen, diese, von einem Chilenen verfaßte Biographie auf den aktuellen deutschen Kontext zu beziehen. --- 1987 versuchte Victor Farías (Heidegger et le nazisme), einen direkten Zusammenhang zwischen der Philosophie Heideggers und dem Nationalsozialismus herzustellen. Er popularisierte die Heidegger-Kontroverse und löste eine Welle neuer Forschungen zum Thema aus. Der Historiker Hugo Ott fasste die neueren Forschungsergebnisse in seiner Biographie 1988 zusammen. Farías veröffentlichte Mitschriften von Vorlesungen Heideggers, um zu zeigen, dass dieser sein ganzes Leben lang „politisch-praktisch im Sinne des Nationalsozialismus agiert“ habe. Dabei handelte es sich um nichtautorisierte Texte. Das Buch wurde fachwissenschaftlich stark kritisiert, so dass auch Farías These der Verknüpfung von Biographie und Philosophie Heideggers unglaubwürdig wirkte. „Die Fachleute“, so Silvio Vietta, „waren sich relativ einig: Victor Farías Buch ist philosophisch eher flach, dokumentarisch lücken- und fehlerhaft.“ Unter anderem verwechselte er in der französischen Version seines Buches die Frankfurter Vorstadt Sachsenhausen mit dem gleichnamigen KZ bei Berlin. Er behauptete, Heidegger habe die Veröffentlichung seines Platon-Artikels im Jahrbuch von Ernesto Grassi Goebbels zu verdanken (er verdankte sie Giuseppe Bottai). Im Vorwort der französischen Ausgabe des Werks erhebt Christian Jambert den Vorwurf, Heidegger habe als Rektor auf die Ermordung jüdischer Studenten nicht reagiert (von der Ermordung irgendwelcher Studenten in Freiburg ist nichts bekannt). Hans-Georg Gadamer urteilte, Farías Informationen seien sonst „gänzlich äußerlich und längst überholt“. Das Buch sei „dort, wo es Philosophisches berührt, von grotesker Oberflächlichkeit“, die „von Unkenntnis geradezu strotzt." Hugo Ott hält Farías Methode unter historisch-wissenschaftlichen Gesichtspunkten für völlig inakzeptabel. François Fédier widersprach den Thesen von Farías 1988 am deutlichsten. Walter Biemel zufolge sprach Farías gegen den Rat von Freunden vor der Veröffentlichung seines Buchs nicht mit Zeitzeugen wie ihm selbst und Margherita von Brentano, weil er seine These „dann vielleicht nicht mehr hätte sagen können.“ Für viele ergab sich mit der Veröffentlichung des Buches Farías’ die Gelegenheit, die intellektuelle Hegemonie des Heideggerianismus in Frankreich zu liquidieren. Die Libération titelte: „Heil Heidegger!“ Hugo Ott kommentierte: „In Frankreich ist ein Himmel eingestürzt — le ciel des philosophes.“ 1988 erkannte der poststrukturalistische Soziologe Jean Baudrillard die „überflüssige“ Heidegger-Affäre als Symptom eines „entkräfteten Denkens, das nicht einmal mehr Stolz auf seine eigenen Referenzen besitzt“. So wie man angefangen habe, im Schlafzimmer von Marx „herumzuwühlen“, nachdem es mit dem Marxismus vorbei war, so krame man jetzt in der Biographie Heideggers herum. Aber das nütze alles nichts, weil nicht nur das Denken dahinschmelze, sondern auch weil es „nicht mehr genug Geschichte gibt, um irgendeinen historischen Beweis für das, was geschehen ist, zu erbringen.“ Wir leben in einer jämmerlichen Epoche, die nicht nur von allen Göttern, sondern auch von der Geschichte und dem Denken verlassen sei. Das Buch Farías’ war im Laufe des Historikerstreits entstanden, an dem Jürgen Habermas maßgeblich beteiligt war und den er in seinem Vorwort zur deutschen Übersetzung (1989) auch aufgriff. Er betrachtete den „Fall Heidegger“ als repräsentativ für einen deutschen intellektuellen Sonderweg, dessen Wurzeln im 19. Jahrhundert zu finden seien. So wurde der „Historikerstreit“ zum „Philosophenstreit“, vor allem wegen den französischen Philosophen, die sich laut Habermas von Heideggers Antimodernismus faszinieren ließen. Nicht zufällig stammte der einzige Aufsatz in der französischen Zeitschrift Le Débat, der die Thesen Farías’ ernstnahm, von Alain Renaut, dem Mitverfasser des Pamphlets gegen das „antihumanistische Denken“ der Strukturalisten, wie etwa Michel Foucault. Habermas verwies in seinem Vorwort auf Manfred Franks Meinung zu den neufranzösischen varianten der Heideggerschen Vernunftkritik (wie sie vor allem von Gilles Deleuze, Derrida und Lyotard vorgetragen werde): „Die neufranzösischen Theorien werden von vielen unter unseren Studenten wie eine Heilsbotschaft aufgenommen. Ich halte das Phänomen für gefährlich: denn hier saugen die jüngeren Deutschen begierig, unter dem Vorgeben der Öffnung ins Französisch-Internationale, ihre eigene nach dem III. Reich unterbrochene irrationalistische Tradition wieder ein, die dadurch von aller nationalen Schlacke gereinigt scheint, daß sie durch die Hand der Franzosen gegangen ist.“ In der Bundesrepublik gab es dann empört nachzitternde Reaktionen bis hin zu der Unterstellung, der inquisitorische Ton der deutschen Theoretiker habe zur Folge gehabt, „dass der von Frank und Habermas redaktionell beratene Suhrkamp Verlag kein Werk der inkriminierten französischen Autoren mehr übersetzt“.

Details

Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Farías, Víctor
Verfasser*innenangabe: Víctor Farías. Mit einem Vorw. von Jürgen Habermas
Jahr: 1987
Verlag: Frankfurt am Main, Fischer
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Systematik: Suche nach dieser Systematik PI.BF
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ISBN: 3-10-020402-6
Beschreibung: 439 S.
Schlagwörter: Heidegger, Martin, Nationalsozialismus, Deutschland / Faschismus, Deutschland / Nationalsozialismus, Faschismus / Deutschland, NS
Beteiligte Personen: Suche nach dieser Beteiligten Person Habermas, Jürgen
Sprache: Deutsch
Originaltitel: Heidegger et le nazisme <dt.>
Mediengruppe: Buch