Dieses praxisorientierte Handbuch befasst sich eingehend mit den Besonderheiten der Psychotherapie bei Menschen mit Hörbehinderung. Mit dem Ziel, eine gelingende Therapie für psychisch kranke Menschen mit Hörbehinderung zu schaffen, wird der Frage nachgegangen, was Hörbehinderung für den betroffenen Patienten unter individuellen, sozialen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten bedeutet. Dabei wird auch auf die Heterogenität der Hörgeschädigten eingegangen und Hintergrundwissen zur Kultur, Deaf Cognition sowie zur Stigmatisierung der Hörschädigung vorgestellt. Damit soll ein Verständnis für die Behinderungsverarbeitung sowie für das Wahrnehmungs- und Wertesystem vor dem Hintergrund der Identitätsentwicklung geschaffen werden. Schwierigkeiten in der Diagnostik und die Therapie im Allgemeinen werden näher beleuchtet und konkrete Hinweise zur Psychoedukation hörgeschädigter Patienten gegeben, um ein Fundament für eine „gehörlosenfreundliche“ Therapie vorzustellen. Es werden außerdem verschiedene Störungsbilder im Hinblick auf hörgeschädigtenspezifische Merkmale vorgestellt und Empfehlungen für das therapeutische Vorgehen bei hörbeeinträchtigten Patienten gegeben. Zusätzlich werden bewährte Behandlungsweisen und Übungen präsentiert und konkrete Tipps aus dem therapeutischen Alltag gegeben.
Als Besonderheit bietet das Buch Infoblätter, Arbeitsmaterialien und einen Werkzeugkoffer – aus der Praxis für die Praxis.
Dr. Sarah Neef ist Psychologin, psychologische Psychotherapeutin mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie und selbst seit ihrer Geburt gehörlos.
Zielgruppe: Alle, die sich mit der Problematik hörgeschädigter Menschen mit psychischen Störungen vertraut machen möchten, insbesondere Menschen in beratenden Berufen wie Sozialarbeiter, Seelsorger, Pädagogen, Psychologen, Bildungseinrichtungen, Integrationsfachdienste, Ärzte, Psychiater, Betroffene, Eltern und Selbsthilfegruppen, Dolmetscher, Studierende der Sozialpädagogik, Sozialarbeit, Sozialwissenschaft, Psychologie, Psychotherapie und Medizin sowie interessierte Laien.
Aus dem Inhalt:
Vorwort
1 Das Phänomen Hörbehinderung
1.1 Definition Gehörlosigkeit
1.2 Definition Schwerhörigkeit
1.3 Definition Ertaubte
1.4 CI-Träger
1.5 Sprachperzeption durch das Absehen
1.6 Unsichtbarkeit der Hörbehinderung
1.7 Physische und psychosoziale Auswirkungen
2 Besonderheiten der kultursensitiven Psychotherapie bei Menschen mit Hörbehinderung
2.1 Prävalenzunterschiede
2.2 Hörbehinderung als Vulnerabilitätsfaktor
2.3 Unterschiede in der Erscheinungsform psychischer Störungen
2.4 Hilfesuchverhalten und Beschwerdepräsentation
2.5 Schwierigkeiten in der Diagnostik
2.6 Barrieren auf dem Weg zur Behandlung
2.7 Konkrete Besonderheiten der Behandlung
2.8 Spezifische Schwierigkeiten bei dolmetschergestütztem Verhalten
2.9 Gefahren auf Behandlerseite
2.10 Gehörloser Therapeut für Hörgeschädigte
2.11 Kultursensitive Therapie mit Hörbehinderten als transkulturelle Begegnung
3 Hörschädigung und Identität
3.1 Die Identität und Kultur der Gehörlosen (Deaf Culture)
3.2 Die Identität und Kultur der Schwerhörigen
3.3 Die Identität und Kultur der (Spät-)Ertaubten
3.4 Die Identität und Kultur der lautsprachlich kommunizierenden Gehörlosen
3.5 Balancierende Identität – Eigenbild und Fremdbild
3.6 Das Stigma erdulden? – Der Hörgeschädigte zwischen Abhängigkeit und Autarkie
3.7 Gegenwind bei Aufklärungsarbeit: Die Reaktanz der Hörenden
3.8 Die Folgen von Stigmatisierung – Angriff auf die Würde und Persönlichkeit
3.9 Anerkennung der Vielfalt – Aufgabe von Konformitätszwang und Einheitssehnsucht
4 Besonderheiten in der Informationsverarbeitung – Deaf Cognition
4.1 Repräsentation und konzeptionelle Organisation von Wissen
4.2 Kontrollüberzeugung – der Grad der Selbststeuerbarkeit
4.3 Anpassung der Aufnahme
4.4 Gezielte Förderung der Theory of Mind
4.5 Einsetzen von direkten Instruktionen und Förderung von Selbstinstruktionen
4.6 Videos und Bilder als Therapiematerial
4.7 Aktives Einbeziehen des hörgeschädigten Patienten
4.8 Einsatz von imaginativen Methoden
4.9 Anpassen an die sprachlichen Besonderheiten
4.10 Förderung der Aufmerksamkeitsleistung
5 Wissen ist Macht – Die Bedeutung der Psychoedukation
5.1 Aufklärung über Risikofaktoren für die psychische Gesundheit
5.2 Hörschädigung unter dem Aspekt des biopsychosozialen Störungsmodells
5.3 Vulnerabilitäts-Stressmodell von Zubin und Spring (1977)
5.4 Biografische Analyse als Ergänzungsverhältnis von Anlage und Umwelt
5.5 Weitere mögliche Erklärungskonstrukte zur Entstehung der psychischen Störung
5.6 Den Wahrnehmungsraum erweitern – Förderung der aktiven Wahrnehmung
6 Umgang mit Gefühlen
6.1 Gefühlswahrnehmung bei Gehörlosen
6.2 Stress, Emotionalität und kognitive Beeinträchtigung
6.3 Zwischenmenschliche Beziehungen
6.4 Emotionsregulation bei Gehörlosen
6.5 Maßnahmen zur Förderung der Affektregulation
6.6 Frustrationstoleranz
6.7 Einfluss der Körperhaltung auf die Emotion
6.8 Ärgerverarbeitung und Ärgerregulierung
6.9 Zusammenfassung
7 Veränderungen auf visuellem Wege – Die Kraft der Bilder
7.1 Bilder zur Stärkung der therapeutischen Beziehung
7.2 Bilder als Hilfe zur Einschätzung für den Therapeuten
7.3 Depotwirkung von Metaphern
7.4 Einblicke in die Erfahrungswelt – Diagnostik durch Bilder
7.5 Literarisch verarbeitete Modelle des Lösungsverhaltens
8 Neudefinition der Lebensqualität
8.1 Stärkung des Kohärenzgefühles
8.2 Ausbilden einer förderlichen Umgangsweise mit der Hörschädigung
8.3 Persönliche Kompetenzen
8.4 Soziale Interaktionen
8.5 Reorganisation der Wahrnehmung
8.6 Einstellungsänderung und Reorganisation von Werten
8.7 Schutzfaktoren und Ressourcen
8.8 Gelassenheit
8.9 Verzeihen und Abschließen
8.10 Akzeptanz der Veränderung und sich neu definieren
8.11 Das Glück liegt in den kleinen Dingen
8.12 Fehlertoleranz und Selbstironie
8.13 Lösungsorientierung, Mut und eine Portion Dickköpfigkeit
9 Depression und Burnout
10 Posttraumatische Verbitterungsstörung bei Menschen mit Hörbehinderung
11 Posttraumatische Belastungsstörungen
11.1 Psychische, körperliche und sexuelle Gewalt
11.2 Diskriminierung und strukturelle Gewalt
11.3 Kollektives Trauma: Risikofaktor Audismus
11.4 Weitere Risikofaktoren
12 Angsterkrankungen bei Menschen mit Hörbehinderung
12.1 Soziale Ängste
12.2 Die Hörenden-Phobie
12.3 Generalisierte Angststörungen
12.4 Angst vor dem Alleinsein
13 Psychose bei Menschen mit Hörbehinderung
14 Zwangsstörungen bei Menschen mit Hörbehinderung
15 Trauerbewältigung und Krisenverarbeitung
15.1 Abschied vom Hörenkönnen
15.2 Die Seelenreise als Prozess der Krisenverarbeitung
15.3 Aufbrechende Emotionen
15.4 Ängste
15.5 Annehmen und Akzeptanz
15.6 „Heilung“ im Sinne einer gelungenen Krisenverarbeitung
16 Persönlichkeitsstörungen
16.1 Paranoide Persönlichkeitsstörung
16.2 Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung – impulsiver Typus
16.3 Ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung
16.4 Abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung
17 Compliance bei Psychopharmaka
Schlusswort
Anhang
Literaturverzeichnis