VERLAGSTEXT: / / / Menschen mit schwerster Mehrfachbehinderung haben aufgrund fehlender Sprache Schwierigkeiten, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. So bleiben Wünsche und Bedürfnisse oft unverstanden. Umso mehr sind sie darauf angewiesen, dass Bezugspersonen ihren körperlichen und emotionalen Ausdruck wahrnehmen, diesen richtig interpretieren deuten und angemessen darauf reagieren. Häufig stellen jedoch stereotype, selbststimulierende oder selbstverletzende Verhaltensweisen Bezugspersonen und Therapeuten vor große Herausforderungen. Diese Verhaltensweisen erschweren nicht nur die Kontaktaufnahme zu Mitmenschen und zur Umwelt, sondern wirken sich auch auf die Entwicklungsmöglichkeiten der Menschen mit schwerster Mehrfachbehinderung aus. Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie zeigen, dass eine ausgeglichene Affektlage die Basis jeglicher positiven Entwicklung ist. Nur, wenn die Affekte eines Menschen ausreichend reguliert sind, kann er seine Aufmerksamkeit auf die Umwelt richten und positive Beziehungserfahrungen machen. Doch wie kann ein Mensch, der hohe Unruhe oder stereotypes Verhalten zeigt oder sich gar selbst verletzt, bei der Regulation seiner Affekte unterstützt werden? Das Buch „Affektregulation in der Musiktherapie mit Menschen mit schwerster Mehrfachbehinderung“ beschreibt zunächst die Entwicklung der Affektregulation aus entwicklungspsychologischer Sicht. Es wird deutlich, dass ein Mensch je nach Entwicklungsalter spezifische Unterstützung seiner Bezugspersonen benötigt, um seine Affekte zu regulieren. Diese Erkenntnisse sind die Basis einer entwicklungspsychologisch orientierten musiktherapeutischen Behandlung dysregulierter Affekte. Um die positive Wirkung spezifischer musiktherapeutischer Interventionen nachzuweisen, wurden Videos aus der Musiktherapie mit Menschen mit schwerster Mehrfachbehinderung analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass sich eine entwicklungspsychologisch orientierte Musiktherapie positiv auf die Affektlage und damit auf die Kontakt- und Beziehungsfähigkeit schwerst mehrfachbehinderter Menschen auswirkt. Durch Interventionen, die das Körperempfinden aktivieren, können dysregulierte Affekte integriert werden.Dieses Buch legt den Grundstein für eine theoretisch fundierte Anwendung musiktherapeutischer Interventionen in der Arbeit mit Menschen mit schwerster Mehrfachbehinderung. Auch angrenzende Berufsgruppen und Bezugspersonen können von den hier dargestellten Grundlagen und den daraus entwickelten Interventionen profitieren.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung..................................................................................................................13
1.1 Eine gemeinsame Sprache.............................................................................. 13
1.2 Interaktion mit Menschen mit schwerer und schwerster Mehrfach
behinderung .........................................................................................................14
1.3 Musiktherapie mit Menschen mit schwerer Mehrfachbehinderung............. 16
1.4 Beschreibung des Untersuchungsvorhabens................................................. 21
1.4.1 Ziele der Untersuchung..........................................................................21
1.4.2 Fragestellung........................................................................................... 22
1.4.3 Vorgehensweise....................................................................................... 22
1.5 Forschung und ethische Fragen.................................................................... 24
2 Entwicklungspsychologisch orientierte Musiktherapie...................................26
2.1 Entwicklungspsychologie, Säuglingsforschung und Therapie.....................26
2.2 Grundlagen des EBQ-Instrumentes zur Einschätzung der Beziehungs
qualität ................................................................................................................ 29
2.3 Anwendung des EBQ-Instrumentes in der Musiktherapie mit Menschen mit
schwerster Mehrfachbehinderung...................................................................... 31
2.3.1 Modus 0: Kontaktlosigkeit.................................................................... 33
2.3.2 Modus 1: Kontaktreaktion...................................................................... 35
2.3.3 Modus 2: Funktionalisierender K ontakt............................................... 37
2.3.4 Modus 3: Selbstempfinden...................................................................... 39
2.3.5 Modus 4: Intersubjektivität.................................................................... 43
2.3.6 Modus 5: Interaktivität............................................................................45
2.3.7 Modus 6: Interaffektivität...................................................................... 46
2.4 Affektregulation im Kontext entwicklungspsychologisch orientierter
Musiktherapie........................................................................................ 48
3 Erkenntnisse der Säuglingsforschung zur Affektregulation und ihre
Bedeutung für Menschen mit schwerster Mehrfachbehinderung.................... 50
3.1 Entwicklung der Affektregulation.................................................................50
3.1.1 Physische Regulation durch die Bezugsperson......................................51
3.1.2 Bezugspersongeleitete dyadische Spannungsregulation.........................57
3.1.3 Dyadische Regulation............................................................................ 59
3.1.4 Weitere Entwicklung bis hin zur Selbstregulation................................ 63
3.2 Das Dynamic Tension Model........................................................................ 64
3.3 Das Modell der neonatalen Verhaltensorganisation......................................70
3.3.1 Physische Befindlichkeitszeichen...........................................................72
3.3.2 Motorische Befindlichkeitszeichen.........................................................74
3.3.3 Befindlichkeitszeichen im Bereich der Schlaf- und Wachzustände . . . . 76
3.3.4 Befindlichkeitszeichen während der Kommunikation und Interaktion 77
3.3.5 Selbstberuhigung....................................................................................79
3.4 Zusammenfassung und Ausblick...................................................................81
4 Befindlichkeitszeichen von Menschen mit
schwerster Mehrfachbehinderung.................................................... 82
4.1 Begriffe und Definitionen..............................................................................82
4.1.1 Stereotypes Verhalten..............................................................................83
4.1.2 Selbstverletzendes Verhalten.................................................................. 84
4.1.3 Selbststimulierendes Verhalten...............................................................84
4.1.4 Selbstberuhigendes Verhalten.................................................................85
4.1.5 Zusammenfassende Begriffe...................................................................85
4.2 Prävalenz selbstverletzender und stereotyper Verhaltensweisen bei Men
schen mit Behinderungen....................................................................................86
4.3 Verursachungs- und Bedingungszusammenhänge........................................87
4.3.1 Biologische Faktoren..............................................................................87
4.3.2 Umwelteinflüsse..................................................................................... 88
4.3.3 Lernprozesse........................................................................................... 89
4.3.4 Prozesse der Erregungsregulation und Homöostase............................ 90
4.3.5 Die ¿subjektive Logik¿ ..........................................................................90
4.3.6 Schlussfolgerungen..................................................................................92
4.4 Erfassung von Belastungszeichen und ihrer Bedeutung................................ 93
4.4.1 Informelle Befragung..............................................................................93
4.4.2 Checklisten............................................................................................. 94
4.4.3 Fragebögen............................................................................................. 94
4.4.4 Freie und systematische Beobachtung................................................... 94
4.4.5 Empfehlungen für die Musiktherapie..................................................... 94
4.5 Zusammenfassung und Ausblick.................................................................. 95
5 Untersuchung des körperlich-emotionalen Ausdrucks von Menschen
mit schwerster Mehrfachbehinderung...................................................................96
5.1 Untersuchungsfragen..................................................... 96
5.2 Vorgehen zur Auswahl des Untersuchungsmaterials....................................97
5.2.1 Rahmenbedingungen..............................................................................97
5.2.2 Auswahlkriterien für die Probanden..................................................... 97
5.2.3 Probanden / Untersuchungsgruppen..................................................... 98
5.2.4 Untersuchungsmaterial........................................................................ 101
5.3 Untersuchungsmethodik..............................................................................102
5.4 Untersuchungsergebnisse............................................................................ 104
5.4.1 Beschreibung von Befindlichkeitszeichen..........................................104
5.4.2 Dauer der Belastungszeichen.............................................................. 109
5.5 Interpretation der Ergebnisse.......................................................................112
5.5.1 Die Relevanz des Themas ¿Affektregulation¿ ...................................... 112
5.5.2 Dauer von Belastungszeichen im Kontext der Situation.....................113
5.5.3 Gleichzeitigkeit verschiedener Beziehungsqualitäten...........................116
5.5.4 Abhängigkeit von einer angemessenen Reizsituation...........................118
5.6 Zusammenfassung der Ergebnisse...............................................................119
5.6.1 KEBQ Modus 2 für Menschen mit schwerster Mehrfachbehinderung 119
5.6.2 Erweiterung des Tension Regulation M odels...................................... 120
6 Untersuchung des möglichen Einflusses musiktherapeutischer
Interventionen auf die Affektlage von Menschen mit schwerster
Mehrfachbehinderung............................................................................................122
6.1 Einführung in entwicklungspsychologisch orientierte
Interventionsmethodik................................................................................ 122
6.2 Untersuchungsmethodik.............................................................................. 123
6.3 Untersuchungsergebnisse............................................................................ 125
6.3.1 Belastungszeichen im Kontext von Interventionen zum ¿Einhüllen¿/
Atmosphäre schaffen (TBQ 0).......................................................................128
6.3.2 Belastungszeichen im Kontext des Umspielens und Begleitern von
Bewegungen (TBQ 3 )....................................................................................130
6.3.3 Belastungszeichen im Kontext des Bewusstmachens (TBQ 3)............. 134
6.3.4 Belastungszeichen im Kontext interpersoneller Bezogenheit (TBQ 4) 136
6.3.5 Belastungszeichen durch fehlende Pausen............................................139
6.3.6 Belastungszeichen im Kontext von
Liedern und Lückeliedern (TBQ 5)..................................................... 141
6.3.7 Zusammenfassung der Ergebnisse....................................................... 142
7 Affektregulation als Intervention für Menschen mit schwerster Mehrfach
behinderung ..............................................................................................................143
7.1 Musiktherapeutische Interventionen zur Affektregulation.........................143
7.1.1 Singen im Atemrhythmus.....................................................................144
7.1.2 Aktivierung des Körperempfindens..................................................... 145
7.1.3 Intermodale Verknüpfung (Bewegungen hörbar machen)................... 148
7.1.4 Musikalisches Begleiten und Umspielen von Bewegungen................. 148
7.1.5 Affektabstimmung und Affektgestaltung..............................................148
7.1.6 ¿Ruhe gegen Unruhe¿ .......................................................................... 149
7.1.7 Zusammenfassung..................................................................................149
7.2 Erweiterung des TBQ-sMb Modus 2 ......................................................... 150
8 Die Bedeutung der Affektregulation für die Entwicklung -
Zusammenfassung der Ergebnisse und Diskussion........................................... 153
8.1 Affektdysregulation und Therpie.................................................................153
8.2 Entwicklungspsychologisch orientierte Musiktherapie bei Menschen mit
schwerster Mehrfachbehinderung - Diskussion................................................153
8.3 Erganzungsmöglichkeiten......................................................... 157
8.4 Affektregulation durch Musiktherapie....................................................... 160
9 Literaturverzeichnis..............................................................................................162
10 Anhang..................................................................................................................167
10.1 Merkmalliste zur Einschätzung des körperlich-emotionalen Ausdrucks von
Menschen mit schwerster Mehrfachbehinderung (KEBQ-sMb).....................167
10.2 Anhang 2: Zeitdiagramme.......................................................................... 171