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Der Kongreß fand nicht statt

die Sozialistische Internationale 1914
Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Haupt, Georges
Verfasser*innenangabe: Georges Haupt
Jahr: 1967
Verlag: Wien, Europa
Mediengruppe: Buch
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Inhalt

In einem während der ersten Marokkokrise an seinen Reichskanzler von Bülow gerichteten Brief schreibt Wilhelm II.: „Erst die Sozialisten abschießen, köpfen und unschädlich machen – wenn nötig per Blutbad – und dann Krieg nach außen.“ Das war 1906. Damit ist die Haltung des im doppelten Sinne unverantwortlichen Monarchen zu der damals betriebenen antimilitaristischen Politik innerhalb der Sozialdemokratie und der sozialistischen Internationale klar ausdrückt. Georges Haupt, Professor an einem Institut der Sorbonne, stellt diese Politik mit Hilfe der bisher noch nicht verwerteten Akten des J. S. B., des ständigen Büros der Zweiten Internationale dar, wobei er sich im großen und ganzen auf die letzten drei Jahre vor dem Zusammenbruch im August 1914 beschränkt.
 
Diese Periode beginnt mit dem Basler Kongreß der Internationale vom November 1912 (leider wird die Resolution von Basel nicht im Wortlaut wiedergegeben) und endet mit der erschütternden Sitzung des Büros der Internationale auf dem Höhepunkt der Kriegskrise am 29. und 30. Juli 1914 in Brüssel, worüber allerdings nur lückenhafte und widersprüchliche Niederschriften vorhanden sind.
 
Die Hauptfiguren 1914 sind auf französischer Seite der große Jaurès, der sofort nach seiner Rückkehr aus Brüssel in Paris ermordet wurde, auf deutscher Seite Hugo Haase; Bebel war 1912 gestorben. Rosa Luxemburg, die in der Frage, was bei drohendem Kriegsausbruch und im Kriege zu tun sei, zum deutschen Parteivorstand in scharfer Opposition stand, vertrat Polen. Für Österreich, dem in erster Linie betroffenen Land, war der kranke und alte Victor Adler mit seinem Sohn Friedrich Adler gekommen. Er hatte das erste Referat, in dem er vor dem inzwischen ausgebrochenen nationalistischen Hexensabbat die Ohnmacht seiner Partei zugeben mußte. Auf den 23. August war der zehnte Kongreß der Internationale nach Wien einberufen, auf dem unter – anderem fünfzigste Wiederkehr der Gründung der Internationale gefeiert werden sollte. Außerdem stand wiederum das Verhalten der Parteien zu Krieg und Kriegsgefahr auf der Tagesordnung dieses Kongresses, den die Ereignisse überrollten.
Seit dem Stuttgarter Kongreß von 1907 und dem von Basel von 1912 war die Frage des Verhaltens zum Krieg immer noch in der Schwebe: Ob man nämlich nicht nur allgemeine Kriegsgegnerschaft erklären, sondern auch bestimmte Aktionen androhen und den Sektionen zur Pflicht machen solle, insbesondere den Massenstreik. Daß man dies tun solle, war der Standpunkt der französischen Sektion; die deutsche Partei hatte sich bis dahin gegen jede Konkretisierung gewehrt. Eine solche Konkretisierung kam auch bei der Brüsseler Sitzung nicht zustande; ja, es wurde, obwohl der Ausbruch des Krieges entgegen allem bisherigen Optimismus für wahrscheinlich gehalten wurde, überhaupt nicht darüber gesprochen, wie sich die Parteien im Falle des ausgebrochenen Krieges verhalten sollten.
 
Haase erklärte, die deutsche Partei werde „ihre Pflicht tun“. In der Sozialdemokratie war die Frage von Antikriegsaktionen – vor oder während eines Krieges – umgangen worden; man beruhigte sich mit einem gewissen Optimismus bezüglich der Friedenspolitik der Regierungen. Bis zuletzt kam es nicht zu einem Beschluß über die anzuwendenden. Mittel. Die deutsche Regierung hat auf die Initiative von Delbrück, dem Staatssekretär des Innern, und in Kenntnis beruhigender Polizeiberichte von „Maßnahmen“ gegen die sozialdemokratischen Führer abgesehen. Eine Unterredung Bethmann Hollwegs mit dem Reichstagsabgeordneten und Mitglied des Parteivorstands Südekum am 30. Juli überzeugte den Reichskanzler vollends von der Degenmäßigkeit der Sozialdemokratie. Die Kriegspropaganda, die Irreführung der öffentlichen Meinung über die Fakten hatten gewirkt; es war vor allem gelungen, Rußland als den Angreifer hinzustellen und auf die alte Rußlandfeindlichkeit der Sozialdemokraten mit Erfolg zu spekulieren.
Das Buch bringt einige neue Fakten und Nuancen zu diesem oft erörterten Sachverhalt. Zwei bemerkenswerte Aspekte ergeben sich: Erstens ermißt man, wie ahnungslos, zusammenhanglos und machtlos die Wortführer dieser großen Partei, deren Anhänger die Hauptlasten des Krieges zu tragen bekommen sollten, sich neben den Aktionen der Machthaber zu bewegen hatten. Die Überlegenheit der sozialistischen Führer an Intelligenz, Erfahrung und Gesinnung fiel mit keinem Gramm ins Gewicht. Man stelle sich etwa Victor Adler vor neben der Clique der österreichischen Kriegsmacher Berchtold und Conrad! Zweitens erkennt man (was zum Notstandsthema gehört) wie leicht in kritischen Zeiten von den Inhabern der staatlichen Macht Information, Öffentliche Meinung, nationale Gefühle, Haß gegen Fremde oder Minoritäten zu manipulieren sind.

Details

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Verfasser*innenangabe: Georges Haupt
Jahr: 1967
Verlag: Wien, Europa
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Beschreibung: 318 S.
Schlagwörter: SOZIALISTISCHE INTERNATIONALE
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Mediengruppe: Buch