Cover von Deutsche Prosagedichte des 20. Jahrhunderts wird in neuem Tab geöffnet

Deutsche Prosagedichte des 20. Jahrhunderts

eine Textsammlung
Suche nach Verfasser*in
Verfasser*innenangabe: in Zsarbeit mit Klaus Peter Dencker hrsg. von Ulrich Fülleborn
Jahr: 1976
Verlag: München, Fink
Mediengruppe: Buch
verfügbar

Exemplare

AktionZweigstelleStandorteStatusFristVorbestellungen
Vorbestellen Zweigstelle: Bücherei der Raritäten Standorte: DD.AD Deut Status: Verfügbar Frist: Vorbestellungen: 0

Inhalt

Ein Prosagedicht ist: ein Prosagedicht, ist Prosa, ist ein Gedicht. . . Das ist nun kein Satz aus einem Prosagedicht selbst, obwohl es einer sein könnte, sondern, aus Ulrich Fülleborns Einleitung zu seiner Anthologie "Deutsche Prosagedichte des 20. Jahrhunderts".
Sollten es die Wissenschaftler also auch nicht besser wissen als die Poeten, wenn sie ihre Definitionen im Stil der Gertrude Stein versuchen? Ulrich Fülleborn weißes besser. Nicht bloß deshalb, weil er durch eine einschlägige wissenschaftliche Untersuchung zu Theorie und Geschichte dieser Gattung ausgewiesen ist. Ihm gelingt es auch, über das definitorische Sprachspiel hinaus einleuchtende Bestimmungen dieses proteushaften und schwer faßbaren Genres anzugeben. Zu Recht wendet er sich gegen diejenigen, die das Prosagedicht aus dem Oppositionspaar Poesie-Prosa heraus ganz auf die Sachlichkeit der Prosa festlegen wollen, und betont, "daß die Prosalyrik in der ganzen Breite an die Verslyrik in allen ihren Spielarten angrenzt".
Nicht daß die Prosa-Lyriker nun allesamt Wortalchimisten à la Rimbaud wären. Johannes R. Becher verstand seine Versuche als "Gesang wider die kalte Welt", und Fülleborn nimmt diese Bezeichnung auf. Drei Tendenzen werden unterschieden. Das Prosagedicht als Selbstdemonstration der Poesie, das Prosagedicht als Sprachspiel und das Prosagedicht als ästhetische Demonstration außer ästhetischer Wirklichkeit.
Aus Gründen der Aktualität beschränkt sich die Anthologie aufs zwanzigste Jahrhundert. Ein zweiter Teil mit Prosagedichten von Wieland und Geßner bis zu Rilke soll noch folgen. Die sechs Abteilungen des vorliegenden Bandes entsprechen den wichtigsten Stil- und Zeittendenzen. Auf die Prosagedichte von Expressionismus, Dadaismus sowie die Prosalyrik Kafkas, Benns, Brechts und Benjamins folgt die Nachkriegsepoche, repräsentiertdurch das lyrisch-evokative Prosagedicht, das Erzählgedicht in Prosa und das experimentelle Prosagedicht mit seinen Übergängen zu Popkunst und politisch engagierter Poesie. Das sind durchaus plausible Gliederungen, mehr noch: sie rücken oftmals Texte in überraschend interessante Konstellationen, wie es einer rein chronologischen Abfolge wohl kaum gelänge. Sehübe und Verwerfungen in der Entwicklung werden so vor allem für die Nachkriegszeit deutlich.
Allerdings fallen auch die Akzentuierungen ins Auge, die sich den Intentionen und Interpretationen des Herausgebers verdanken. War es richtig, die Nachkriegsepoche mit Rühmkorfs parodistisch-satirischem "Anti-Ikarus" zu eröffnen? Fülleborn will damit demonstrieren, "daß die hymnische Form des Prosagedichts nach 1945 bereits anachronistisch ist*.
Läßt man die Frage beiseite, ob Rühmkorfs prosadurchschossenen Reimstrophen überhaupt als Prosalyrik gelten können, bleibt zu überlegen, ob nicht durch diese kritisch-parodistische Intonation die nachfolgenden genuin poetischen Stücke Poethens, Meckels, der Bachmann und anderer disqualifiziert werden. Das freilich scheint Fülieborns Intention nicht gewesen, zu sein. Er präsentiert diese Texte nicht bloß, sondern betont auch, daß dieser aus der hermetischen Tradition kommende Typus sein alogisches Gefüge durch pararhetorische Mittel präzisiert, das heißt, einen. Beitrag zur Entwicklung der Gattung leistet.
Eine andere Frage ist allerdings, weiche Chancen eine ungebrochen poetische Diktion gegenwärtig hat. In Fülleborns Anthologie sind die Versuche dazu ein wenig unterrepräsentiert. Wo Doderers ..Kürzestgeschichten" als "Grenzfälle" der Prosalyrik aufgenommen wurden, hätten einige Autoren nicht fehlen dürfen, die eine surrealistisch-hermetische Tradition fortsetzen, etwa die Berliner Henniger, Hühner, Klünner und Uhlmann. Und auch in der DDR ist Prosalyrik gerade jetzt virulent, eines der jüngsten Beispiele wäre Elke Erb.
So dürfte das letzte Gedicht der Sammlung, nämlich Enzensbergers aus Zitaten kompiliertes Dokumentarpoem "Vorschlag zur Strafrechtsreform" von 1967, das letzte Wort in der Entwicklung der Gattung nicht sein. Leser und vielleicht auch künftige Poeten finden in Fülleborns Anthologie genügend Belege für die Behauptung des Herausgebers, wonach das Prosagedicht eine literarische Zukunft vor sich hat.
(Rezension: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.03.1977, S. BuZ5)

Details

Suche nach Verfasser*in
Verfasser*innenangabe: in Zsarbeit mit Klaus Peter Dencker hrsg. von Ulrich Fülleborn
Jahr: 1976
Verlag: München, Fink
opens in new tab
Systematik: Suche nach dieser Systematik DD.AD
Suche nach diesem Interessenskreis
ISBN: 3-7705-1323-1
Beschreibung: 336 S.
Beteiligte Personen: Suche nach dieser Beteiligten Person Dencker, Klaus Peter; Fülleborn, Ulrich
Mediengruppe: Buch